Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof

Nachdem die Europäische Kommission am 18.06.2015 bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, teilte sie am 17.11.2016 mit, dass sie die Bundesrepublik Deutschland wegen der Aufrechterhaltung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) verklagt und den Europäischen Gerichtshof angerufen hat.

Die Einzelheiten

Die HOAI setzt für Grundleistungen der Flächen-, Objekt- und Fachplanung verbindliche Honorarvorgaben in Form von Mindest- und Höchsthonoraren fest, vgl. § 3 Abs. 1 HOAI 2013.

Hierin erblickt die Kommission Verstöße gegen europäisches Primärrecht, insbesondere gegen Art. 49 Abs. 1 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und gegen Art. 56 Abs. 1 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), weiterhin gegen Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG). Die Regelungen der HOAI seien ein unverhältnismäßiges Hindernis für die Erbringung von Dienstleistungen. Diese Hindernisse können nach Art. 15 Abs. 2 lit. g), Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie nur aufrechterhalten werden, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und nicht diskriminierend sind und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Nach Auffassung der Kommission seien die verbindlichen Gebührenregelungen weder geeignet noch erforderlich, um Verbraucherschutz oder Qualitätssicherung zu erreichen. Sie behinderten vielmehr den freien Dienstleistungsverkehr und die Etablierung neuer Marktteilnehmer in Deutschland.

Weiterhin stellten die Regelungen eine Hemmschwelle zur Niederlassung EU-ausländischer Dienstleister in Deutschland dar.

Kammern und Verbände hingegen werfen der Kommission vor, sie wolle Qualität, Kostentransparenz, Sicherheit und Verbraucherschutz für das Ziel eines schrankenlosen Wettbewerbs opfern. Zwischen 2008 und 2014, so die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann, sei die Zahl der Architektenbüros in Deutschland um etwa 15 % gestiegen. Dies belege, dass die HOAI kein Hindernis darstelle, sich in Deutschland niederzulassen.

Mögliche Auswirkungen

Sollte der Europäische Gerichtshof einen Verstoß feststellen, bliebe die HOAI zunächst wirksam, dürfte aber in konkreten grenzüberschreitenden Fällen nicht mehr angewendet werden. Die Bundesrepublik Deutschland wäre zudem nach Art. 260 Abs. 1 AEUV zur Abhilfe verpflichtet, anderenfalls droht die Verhängung eines Zwangsgeldes. Vertragsparteien bereits abgeschlossener und während des Verfahrens zu schließender Verträge könnten durch eine Übergangsregelung geschützt werden, nach der bestehende Vertragsverhältnisse unberührt bleiben. Anderenfalls müssten sie ggf. eine Vertragsanpassung an die übliche Vergütung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage vornehmen.