Keine Reaktion auf Fristsetzung: Kündigungsrecht aus wichtigem Grund

Ein (Bau-)Werkvertrag verpflichtet die Auftraggeberin in vielerlei Hinsicht: Die Auftraggeberin wird neben den Kardinalpflichten in Form von Abnahme und Entrichtung der vereinbarten Vergütung auch zu Mitwirkungspflichten angehalten. Eine dieser wesentlichen Mitwirkungspflichten der Auftraggeberin kann die (rechtzeitige) Reaktion auf eine Fristsetzung der Auftragnehmerin sein. Verletzt die Auftraggeberin diese Pflicht, kann dies eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen. Je nach Konstellation des Einzelfalls kann ein solches Verhalten der Auftraggeberin die Auftragnehmerin zur Kündigung des (Bau-)Werkvertrags aus wichtigem Grund berechtigen. Den Anspruch auf den vollen vereinbarten Werklohn behält die Auftragnehmerin abzüglich der Aufwendungen, die sie durch die vorzeitige Vertragsbeendigung erspart hat.

Der Fall

Die Auftraggeberin beauftragt die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage, dies bestätigt der Auftragnehmer per Fax. Die Auftraggeberin erklärt daraufhin, die Auftragsbestätigung entspreche nicht den getroffenen Vereinbarungen, deshalb und auch aus weiteren Gründen möchte sie Abstand vom Auftrag nehmen. Die Auftragnehmerin tritt dem entgegen und verweist insbesondere darauf, dass bereits Subunternehmer zur Ausführung des in Streit stehenden Auftrags – teils – verbindlich beauftragt wurden. Ferner wurden bereits erforderliche Baumaterialien auftragnehmerseits vorfinanziert. Aus diesen Gründen setzt die Auftragnehmerin der Auftraggeberin eine Frist für die schriftliche Zusage, das Grundstück zwecks Ausführung des Auftrags betreten zu dürfen. Auf diese Fristsetzung reagiert die Auftraggeberin nicht. Sodann kündigt die Auftragnehmerin den (Bau-)Werkvertrag. Sie fordert von der Auftraggeberin den vollen vereinbarten Werklohn abzüglich der Aufwendungen, die sie durch die vorzeitige Vertragsbeendigung erspart hat.

Entscheidung des Gerichts

Mit Erfolg – ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund besteht, folglich ist die Auftraggeberin trotz Vertragsauflösung zur Zahlung des vereinbarten Werklohns (unter Abzug der durch die vorzeitige Vertragsbeendigung ersparten Aufwendungen) verpflichtet. Einen wichtigen Grund zur Kündigung hat hier die Rechtsprechung insbesondere aus folgenden Gründen angenommen: Die Auftraggeberin hat sich ihrerseits aus unterschiedlichen Gründen aus dem Vertrag zu lösen versucht. Einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Vertragsbeendigung haben die Gerichte hierin nicht gesehen, den unbedingten Willen zur Abstandnahme vom Vertrag allerdings schon. Die Auftragnehmerin hat die Loslösungsversuche der Auftraggeberin aus Sicht der Gerichte zutreffend zurückgewiesen. Zur Schaffung von Rechtssicherheit hat die Auftragnehmerin zudem eine schriftliche Bestätigung zum Betreten des entsprechenden Grundstücks zwecks Ausführung des streitigen Auftrags eingefordert. Eben diese Frist hat die Auftraggeberin fruchtlos verstreichen lassen. In dieser besonderen Konstellation hat die Rechtsprechung das fruchtlose Verstreichenlassen einer Frist als schwerwiegende Vertragsverletzung angesehen. Diese berechtigt zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund.

Praxishinweis

Das dem Bauvertragsrecht immanente Kooperationsgebot und die daraus folgende Pflicht zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit pönalisiert ggf. ohnehin das (reaktionslose) Ignorieren von Aufforderungen des/der Vertragspartner. Es hält vielmehr zum gegenseitigen Austausch hinsichtlich Meinungsverschiedenheiten o. Ä. an. Allein daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Fristsetzungen der Vertragspartner ernst genommen werden sollten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn rechtlich unbegründet der eigene Loslösungswille deutlich geworden ist. Dies wiederum legt nahe, eine Loslösungmöglichkeit von einem (Bau-) Werkvertrag stets anwaltlich prüfen oder ggf. begleiten zu lassen.

Das Urteil ist, wenn auch sehr kasuistikbeladen, dennoch im Ergebnis konsequent. Auch nach § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB wird das fruchtlose Verstreichenlassen der gesetzten Frist mit einem u. U. erheblichen Rechtsverlust geahndet. Überdies ahndet auch § 648a Abs. 4 BGB die Verweigerung der Mitwirkung einer Partei, hier wird ihre Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung begründet. Somit hält auch das hier besprochene Urteil – entsprechend den genannten gesetzlichen Leitbildern sowie dem Kooperationsgebot – zum stetigen partnerschaftlichen Austausch der Vertragspartner des (Bau-)Werkvertrags an. Ein auch nur temporäres „Sich-tot-Stellen“ kann tatsächlich zu einem dauerhaften Verlust von Rechten aus dem (Bau-)Werkvertrag führen.

(OLG Celle Urteil vom 11.10.2018, 5 U 40/18; nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH-Beschluss vom 29.01.2020, Az. VII ZR 227/18)