Keine Kündigung eines Bauvertrages mittels einfacher E-Mail

Das OLG München hat mit Beschluss vom 03.02.2022 (Az. 28 U 3344/21 Bau) für die seit dem 01.01.2018 gültige Rechtslage festgehalten, dass die Kündigung eines VOB/B-Vertrages per einfacher E-Mail das Schriftformerfordernis nicht wahrt und daher unwirksam ist.

Sachverhalt

Der Auftraggeber eines im Februar 2019 auf Basis der VOB/B geschlossenen Bauvertrages „kündigte“ diesen, indem er ein von ihm unterschriebenes Kündigungsschreiben einscannte und per E-Mail an den Auftragnehmer übersandte.

In dem seitens des Auftragnehmers eingeleiteten gerichtlichen Verfahren macht dieser restlichen Werklohn geltend. Der Auftraggeber wendet ein, er habe den Bauvertrag aus wichtigem Grund gekündigt, weshalb ihm ein Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten zustehe.

Das Landgericht hat der Klage des Auftragnehmers stattgegeben und dem Auftraggeber Ansprüche auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten versagt.

Entscheidung

Das OLG München bestätigt die Entscheidung des Landgerichts und weist die Berufung des Auftraggebers zurück, da das Schriftformerfordernis nach § 8 Abs. 6 VOB/B durch eine Kündigung per E-Mail nicht gewahrt sei.

Gemäß § 126 Abs. 1 BGB sei in den Fällen, in denen durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen. Bei der VOB/B handele es sich nicht um ein Gesetz, sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen, weshalb § 8 Abs. 6 VOB/B keine gesetzliche Formvorgabe darstelle. Dieser Umstand habe nach altem Recht, also vor Inkrafttreten von § 650h BGB, dazu geführt, dass § 127 Abs. 2 BGB anwendbar gewesen sei, wonach zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative Übermittlung, also auch die Übermittlung per E-Mail genügte.

Allerdings enthalte § 650h BGB für nach dem 31.12.2017 abgeschlossene Bauverträge eine Regelung, wonach die Kündigung des Bauvertrags der Schriftform bedarf. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Formvorgabe, wonach eine telekommunikative Übermittlung nicht mehr ausreichend ist. Da es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Bauvertrag im Sinne § 650a Abs. 1 BGB handele, auf den § 650h BGB und damit § 126 Abs. 1 BGB Anwendung findet, sei die Kündigung unwirksam mit der Folge, dass ein Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten nicht bestehe.

Praxishinweis

Die Kündigungserklärung muss „von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden“ (§ 126 Abs. 1 BGB). Ersetzt werden kann die schriftliche Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form: Dann muss der Kündigende der Kündigungserklärung „seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen“ (§ 126a Abs. 1 BGB). Eine einfache E-Mail reicht demnach nicht.

Das Schriftformerfordernis des § 650h BGB gilt unmittelbar für den Bauvertrag. Wie sich aus der Verweisung des § 650q Abs. 1 BGB auf § 650h BGB ergibt, gilt das Erfordernis der schriftlichen Form zudem auch für Architekten- und Ingenieurverträge. Die Kündigung eines sonstigen Werkvertrages ist hingegen formfrei möglich, weil § 650h BGB insoweit nicht greift.