„Fertigstellung“ bedarf keiner Mangelfreiheit

Mit Urteil vom 07.12.2017 hat das OLG Düsseldorf (Az. 5 U 124/16) entschieden, dass aus der Verwendung des Begriffs "Fertigstellung" in einer Vertragsstrafenklausel nicht der Rückschluss gezogen werden kann, die Leistung habe mangelfrei zu sein – das Werk muss lediglich abnahmereif sein. Dies hat der BGH nunmehr bestätigt, indem er mit Beschluss vom 17.06.2020 die Nichtzulassungsbeschwerde (VII ZR 294/17) zurückgewiesen hat.

Sachverhalt

Mit Generalunternehmervertrag beauftragte die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden: AG) die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden: AN) mit der teilschlüsselfertigen Erstellung eines Wohn- und Geschäftshauses auf der Grundlage der VOB/B und C in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung (2002). Es wurden gestaffelte Fertigstellungstermine für vier bezeichnete Teilgewerke vereinbart. Überdies war eine Vertragsstrafenregelung für eine verzögerte Fertigstellung enthalten. Die Vertragsstrafenregelung unterschied zwischen den „Geschäftsräumen“ und dem „restlichen Geschäftshaus„. Der AG verlangte von dem mit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses beauftragten AN die Zahlung einer Vertragsstrafe, weil dieser einen für das Gebäude bestimmten Aufzug (räumlich im sog. restlichen Geschäftshaus) nicht zeitgleich mit einer vermieteten Gewerbeeinheit fertiggestellt hatte. Der Aufzug war erst zwei Monate nach der Übergabe dieser Gewerbeeinheit an den Mieter betriebsbereit gewesen. Aus diesem Grund forderte die AG die AN gerichtlich zur Zahlung der Vertragsstrafe auf. Dies wurde ihr zunächst instanzgerichtlich zugesprochen.

Entscheidung

Zu Unrecht entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf und „kassierte“ diesbezüglich das instanzgerichtliche Urteil:

Der AG könne keine Vertragsstrafe verlangen – Fertigstellung im Sinne einer Vertragsstrafe wird dahin definiert, dass die Leistung nicht mangelfrei, sondern dass das Werk lediglich abnahmereif sein muss (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 7. Teil Rz. 75). Dabei stehe nicht jede Nutzungsbeeinträchtigung im mietrechtlichen Sinn einer werkvertraglichen Abnahmereife entgegen. Zwar könne ein nicht betriebsbereiter – mietvertraglich vereinbarter – Aufzug im Verhältnis Mieter zu Vermieter einen Mangel begründen. Wenn die entsprechende mietvertragliche Regelung allerdings nicht Teil der Vereinbarung zwischen AG und AN des Bauvertrags ist, kann nicht ohne weiteres die fehlende bauvertragliche Fertigstellung mit dem Nichtvorhandensein des Aufzugs begründet werden. Maßgeblich ist ausschließlich das werkvertragliche Vertragssoll. Vorliegend ist über diese Argumentation hinaus zu berücksichtigen, dass sich der Aufzug räumlich im sog. restlichen Geschäftshaus befindet. Auch wenn es sich zugleich um den einzigen Aufzug für das gesamte Gebäude handelt, kann bereits nach dieser werkvertraglichen Unterscheidung und der räumlichen Lage nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass der Aufzug im Zusammenhang mit der Gewerbeeinheit fertigzustellen war.

Praxishinweis

Kann das Werk trotz des Vorliegens von (mietvertraglichen) Mängeln genutzt werden, kann nach der Rechtsprechung nicht von einer „Nichtfertigstellung“ mit der Folge einer Vertragsstrafe ausgegangen werden. Vielmehr liegt (nur) eine mangelhafte Leistung vor. Nicht jede mangelhafte Leistung rechtfertigt die bauvertragliche „Nichtfertigstellung“. Angezeigt erscheint aus Auftragnehmerperspektive insofern, die Leistung besser mit (unwesentlichen) Mängeln als gar nicht fertigzustellen, um der Verwirkung einer Vertragsstrafe entgegenzusteuern. Zur Vermeidung einer Haftung wegen arglistiger Täuschung sollte allerdings spätestens bei der Abnahme auf die Mängel hingewiesen werden.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2017, Az. 5 U 124/16; nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH-Beschluss vom 17.06.2020)