Erste Rechtsprechung zum neuen Bauvertragsrecht: Kein Anspruch auf Abschlagszahlung nach Kündigung, keine einstweilige Verfügung!

Mit Urteil vom 16.10.2020 hat das LG Berlin (Az. 8 O 126/20) entschieden, dass der Auftragnehmer nach einer Kündigung des Bauvertrags keine Abschlagszahlungen mehr verlangen kann, sondern die Schlussrechnung legen muss. Nach Schlussrechnungsreife kann der Auftragnehmer überdies keine Abschlagszahlung nach der 80-Prozent-Regelung (§ 650c Abs. 3 BGB) im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen.

Des Weiteren hat das LG Berlin festgehalten, dass die gesetzlichen Vorschriften über das Anordnungsrecht des Bestellers (§ 650b BGB) und die Vergütungsanpassung nach solchen Anordnungen (§ 650c BGB) auch auf den VOB/B-Vertrag anwendbar sind.

Sachverhalt

Die Parteien stritten um Nachtragsvergütungen im Wege des einstweiligen Verfahrens, nachdem die vergaberechtsunterworfene Verfügungsbeklagte (im Folgenden: AG) auf der Grundlage der VOB/B die Verfügungsklägerin (im Folgenden: AN) mit der Ausführung von Bauleistungen bezuschlagte. Neben dem Hauptvertrag wurden zahlreiche Nachträge geschlossen. Hinsichtlich einer bestimmten vertraglich vereinbarten Leistungsposition erfolgte seitens der AN eine Bedenkenanmeldung. Die AG bestand allerdings anfangs auf die zuvor vereinbarte Ausführungsart der Leistungsposition, ordnete sodann aber eine von dieser abweichenden Ausführungsart an. Die Parteien konnten sich in diesem Zusammenhang nicht über eine zusätzliche Vergütungspflicht gem. § 650b Abs. 1 BGB einigen.

Nachdem die AN den Bauvertrag mit der AG kündigte, bis dahin erbrachte Leistungen teilweise abgenommen wurden, versuchte sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die AG zur Zahlung (in Form einer Abschlagszahlung) dieser Leistungsänderung zu verpflichten, die Schlussrechnung hatte sie zu dem Zeitpunkt noch nicht gelegt.

Entscheidung

Zu Unrecht entschied das LG Berlin und hielt u. a. folgende Leitsätze zum neuen Bauvertragsrecht fest:

Durch Kündigung respektive (Teil-)Abnahme des Bauvertrags tritt Schlussrechnungsreife ein, eine Berechtigung zur Forderung von Abschlagszahlungen besteht ab diesem Moment nicht mehr – auch nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren. Aus diesem Grund kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren keine Abschlagszahlung nach der 80-Prozent-Regelung mehr gefordert werden.

Eine Umstellung auf Zahlung aus (gelegter) Schlussrechnung scheidet – anders als in einem Hauptsacheverfahren, in dem die Umstellung der Klage auf eine Schlussrechnung möglich ist –  im einstweiligen Verfügungsverfahren aus, weil das Gesetz eine einstweilige Verfügung nur für Abschlagsforderungen vorsieht. Für die Geltendmachung von Zahlungen aus einer (Teil-)Schlussrechnung ist im Rahmen des § 650c Abs. 3 BGB – der i. Ü. neben § 650b auch auf VOB/B-Verträge anwendbar sei – wegen des klaren Wortlauts („Abschlagszahlungen“) kein Raum. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus, etwa eine analoge Anwendung auf Schlussrechnungen, schließt das Gericht ausdrücklich aus. Insbesondere eine Planwidrigkeit liege nämlich eben nicht vor, der Gesetzgeber hat mit der Einführung der 80-Prozent-Regel in § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB und damit in der Sicherstellung des schnellen Zahlungsflusses ausweislich der Gesetzesbegründung einen Ausgleich für die den Unternehmer treffende Vorleistungspflicht geregelt. Diese entfällt nach allgemeinen Grundsätzen mit der Abnahme bzw. Schlussabrechnungsreife durch Kündigung.

Das Gericht ließ offen, ob eine (Teil-)Abnahme – insbesondere nach Inkrafttreten des neuen Baurechts – auch dann zulässig ist, wenn noch (wesentliche) Mängel vorliegen oder wesentliche Restleistungen offen sind, das Werk also objektiv nicht fertiggestellt ist. Die (Teil-)Abnahme führe nur dann zum Wegfall des Anspruchs auf Abschlagsforderungen, wenn das Werk bzw. seine in sich abgrenzbaren Teile schlussrechnungsreif, also ohne wesentliche Mängel und ohne wesentliche offene Restleistungen fertiggestellt sind. Die Möglichkeit zur Teilabnahme in sich abgrenzbarer Teile einer Leistung besteht aber jedenfalls dann, wenn die Leistungen so weitgehend abgeschlossen sind, dass sie prüfbar sind.

Fazit

Der Besteller könnte auf der Grundlage dieser Rechtsprechung durch Teilabnahmen hinsichtlich abgrenzbarer Teile der Leistungen die (Teil-)Schlussabrechnungsreife herbeiführen und damit den auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Antrag im Rechtssinne einer Erledigung zuführen. Der (Bau-)Unternehmer ist gut beraten, diesen Umstand mit zu berücksichtigen und die abnahmereife (Teil-)Fertigstellung seiner Bauleistung in Zweifelsfällen anwaltlich begleiten zu lassen.