Das OVG Münster stellt zu einem sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ hinsichtlich seiner Ausschlusswirkung fest, dass diese einstweilig außer Vollzug gesetzt wird (OVG Münster Beschl. v. 17.6.2024 − 22 B 286/24.NE).
HINTERGRUND
Aktuell wird die Windenergieplanung in den Kommunen insbesondere noch durch die Flächennutzungspläne bestimmt. Allerdings wird sich dies in Nordrhein-Westfalen in Zukunft ändern. Denn die Windenergiebereiche werden zukünftig zur Erreichung des nach dem WindBG verbindlichen Flächenziels (des sogenannten Flächenbeitragswerts) von 1,1 % der Landesfläche bis 31.12.2027 und 1,8 % bis 31.12.2032 insbesondere durch Regionalpläne festgelegt und die Planung vom neuen Regelungsregime des § 249 BauGB bestimmt. Außerhalb der durch die Regionalpläne festgelegten Windenergiebereiche soll die Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich durch den neuen § 249 Abs. 2 BauGB erheblich erschwert sein. Für diese greift nicht mehr die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, sondern sie sind als sonstiges Vorhaben zu behandeln (§ 35 Abs. 2 BauGB) und nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Momentan befinden sich die beschriebenen Regionalpläne jedoch noch in Aufstellung.
SACHVERHALT
In zahlreichen Gemeinden gelten damit entsprechend der Überleitungsvorschrift des § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB weiterhin Flächennutzungspläne, die außerhalb bestimmter Konzentrationszonen die Windenergienutzung ausschließen (sogenannte Ausschlusswirkung, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt beantragten die Antragsteller, einen solchen Flächennutzungsplan, den sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ der Antragsgegnerin, bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragsteller außer Vollzug zu setzen, soweit mit dem Teilflächennutzungsplan eine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erzielt werden soll.
DIE ENTSCHEIDUNG
Und dies mit Erfolg, wie das OVG Münster entschied. Der von den Antragstellern angegriffene Flächennutzungsplan sei jedenfalls aufgrund einer Vielzahl der vorgebrachten Abwägungsfehler nach erfolgter summarischer Prüfung offensichtlich unwirksam. Das Planungskonzept der Antragsgegnerin sei nicht nachvollziehbar. Sie hätten das Konzept schon nicht wie geboten systematisch stimmig und unter Beachtung der Unterschiede der maßgeblichen (Tabu-)Kriterien erarbeitet. Auch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Auswahl und Anwendung der weichen Tabukriterien sei ebenso offensichtlich abwägungsfehlerhaft. Dies treffe ebenso auf die Anwendung des Kriteriums der Verhinderung einer übermäßigen Umfassung von einzelnen Ortslagen im Rahmen der Abwägung der einzelnen Potenzialflächen zu. Da die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB des sachlichen Teilflächennutzungsplans der Antragsgegnerin schon auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen offensichtlich unwirksam sei, bedürfe es – zumal im vorliegenden Eilverfahren mit der ihm eigenen summarischen Prüfung – keiner weiteren Ausführungen zu sonstigen möglichen Fehlern der Konzentrationszonenplanung.
FAZIT
Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich insofern um ein Novum, als dass hier erstmals die Ausschlusswirkung in einem Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO beseitigt wurde. Auch die Bedeutung für die Praxis ist enorm. Auf der einen Seite laufen die Gemeinden Gefahr, dass bei nicht rechtssicheren Flächennutzungsplänen, die aufgestellte Planung in einem Eilverfahren außer Vollzug gesetzt wird und die bestehenden Flächennutzungspläne im späteren Hauptsacheverfahren wegen Abwägungsfehlern als unwirksam eingestuft werden. So verlieren diese ihre gesamte Lenkungswirkung. Auf der anderen Seite wiederum ist es für Projektentwickler und Betreiber von Windenergieanlagen möglich, auch außerhalb der durch die Gemeinden festgelegten Konzentrationszonen Windenergieanlagen zu errichten, wenn es gelingt erfolgreich gegen den Flächennutzungsplan vorzugehen. Hier ist aus dem Blickwinkel beider Interessenspositionen ein erhebliches Risiko- und Potenzialgefälle vorhanden.