Kündigt der Unternehmer den Werkvertrag, weil der Besteller die seinerseits zu erbringenden Sicherheitsleistungen nach § 650f Abs. 1 BGB verweigert, so bleibt der Anspruch auf die Sicherheitsleistung trotz wirksamer Kündigung bestehen. Dies hat das OLG München in seinem Beschluss vom 03.08.2023 – 28 U 1119/23 entschieden.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit für Honoraransprüche resultierend aus zwei geschlossenen Architekturverträgen. Nachdem der Architekt am 30.03.2022 unter Fristsetzung bis zum 12.04.2022 und unter Kündigungsandrohung von seinem Auftraggeber eine Sicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB für offene Zahlungsansprüche verlangt hat, wurden diese durch den Auftraggeber am 14.04.2022 wegen behaupteter Mängel und bestehenden Gegenforderungen zurückgewiesen. In der Folge kündigte der Architekt die Verträge und machte seinen Anspruch auf Stellung der verlangten Bauhandwerkersicherheit klageweise geltend.
Das LG München hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben. Gegen diese Entscheidung legte der Auftraggeber Berufung ein. Nach seiner Ansicht sei das Sicherungsbedürfnis des Architekten infolge der Kündigung entfallen.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Nach Auffassung des OLG München geht der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB auch nach Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 BGB nicht unter.
Ziel des § 650f Abs. 1 sei es, dem Auftragnehmer die Möglichkeit zu eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt. Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach Ausübung des Kündigungsrechts nach § 650f Abs. 5 BGB erlöschen würde. Denn dann hätte der Besteller es in der Hand, den bestehenden Sicherungsanspruch durch Verweigerung der Sicherheitsleistung bis zur Kündigung des Auftragnehmers zu verhindern und den Zweck des Sicherungsverlangens und den tatsächlich bestehenden Anspruch auf Sicherheit auszuhöhlen. Der Besteller könne auf diese Weise die Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit abschließend umgehen.
Im Übrigen ließe sich dem Gesetzeswortlaut ein Erlöschen des Anspruchs auf Sicherheitsleistung im Falle einer Kündigung des Auftragnehmers nach § 650f Abs. 5 BGB nicht entnehmen. Der Anspruch bestehe bis zur vollständigen Befriedigung der von § 650f BGB erfassten Ansprüche. Die Kündigung nach § 650f Abs. 5 stelle einen Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund dar und führe jedenfalls zu einem Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen. Auch nach Kündigung könne der Auftragnehmer daher wegen seines offenen Vergütungsanspruchs – wie er sich infolge der Kündigung berechnet – neben oder vor der Klage auf Zahlung der Vergütung eine Klage auf Sicherheit anhängig machen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG München bestärkt den Unternehmer bei Geltendmachung seines Anspruchs auf Sicherheitsleistung. Die Möglichkeit, auch nach erfolgter Kündigung Sicherheitsleistungen vom Besteller verlangen zu können, gewährt dem Unternehmer einen lückenlosen Schutz seiner Interessen und eröffnet ihm dennoch, sich von dem Vertrag zu lösen. Das OLG München begeht Neuland und ist dabei in seiner Entscheidung konsequent. Eine andere Auffassung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, dem Auftragnehmer einen klagbaren und effektiv durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheit zu gewähren.