Die Nacherfüllungsfrist im Baurecht: Was ist innerhalb der Frist geschuldet? Handlung oder Erfolg?

Mit Urteil vom 14.05.2021 hat das OLG Oldenburg (Az. 2 U 122/20) entschieden, dass es sich bei der nach § 637 Abs. 1 BGB zu setzenden Nacherfüllungsfrist um eine sog. Vornahmefrist handelt. Folglich ist eine angemessene Frist bereits dann fruchtlos abgelaufen, wenn ein Mangel bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht vollständig beseitigt wurde. Der bloße Beginn der Mangelbeseitigungsarbeiten ist unzureichend. Eine Ausnahme hiervon ist nach Auffassung des OLG Oldenburg nur in eng begrenzten Fällen denkbar.

Sachverhalt

Die Parteien des Rechtsstreits verbindet ein BGB-Bauvertrag. Der Auftraggeber (AG) beauftragte die Auftragnehmerin (AN) mit der Errichtung einer Ausstellungshalle. Die VOB/B wurde nicht in den Vertrag einbezogen. Die AN erbrachte die Leistung nicht mangelfrei, der AG setzte eine angemessene Frist (14 Tage) zur Nachbesserung. Diese ließ die AN fruchtlos verstreichen. Eine Abnahme erfolgte nicht. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens forderte der AG erneut zur Mangelbeseitigung unter Fristsetzung auf. Die AN erschien sodann am letzten Tag der Frist zur Nachbesserung, die nachweislich ca. 3-4 Tage gedauert hätte. Die angebotene Nachbesserung lehnte der AG ab und klagte Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung ein.

Entscheidung

Zu Recht! Das OLG Oldenburg bejahte den Anspruch des AG auf Kostenvorschuss aus §§ 637 Abs. 1 und 3, 634 Nr. 2 BGB. Zwar stünden dem Besteller beim BGB-Vertrag Mängelrechte grundsätzlich erst nach Abnahme der Werkleistung zu, jedoch sei im vorliegenden Fall ein Abrechnungsverhältnis entstanden, welches die Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen ausnahmsweise auch ohne Abnahme ermögliche. Grundsätzlich erlöschen die infolge fruchtlosen Fristablaufs entstandenen Nacherfüllungsansprüche zwar nicht durch eine weitere Fristsetzung. Der AG könne aber durchaus wegen Treu und Glauben daran gehindert sein, die ihm zustehenden Mängelrechte auszuüben, sofern der AN auf die weitere Fristsetzung hin die ernstliche Bereitschaft zeigt, die Mängel zu beseitigen.

Daran fehlt es nach Auffassung des OLG Oldenburg, wenn der AN beispielsweise am letzten Tag der (neuerlich) gesetzten Frist erst zur Nachbesserung auf der Baustelle erscheint. Darauf muss sich der AG nicht einlassen. Zum Ende der gesetzten Frist bedarf es insofern der Vollendung der Nachbesserung und nicht des Beginns von Nachbesserungsarbeiten, um Folgeansprüche (hier: Kostenvorschussanspruch) zu vermeiden.

Praxishinweis

Die Aufnahme der Mangelbeseitigungsarbeiten innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Frist ist nicht ausreichend. Vielmehr ist die Mangelbeseitigung innerhalb der Nacherfüllungsfrist vollständig vorzunehmen bzw. abzuschließen. Nimmt der Werkunternehmer nicht sämtliche Mangelbeseitigungsarbeiten im Rahmen der vom Auftraggeber gesetzten Frist vor, entsteht mit Fristablauf der Anspruch auf Kostenvorschuss. Ob dieser Grundsatz auch entsprechend auf das Rücktritts- oder Minderungsrecht Anwendung findet, ist nicht abschließend geklärt und ggf. im Einzelfall gesondert (rechtsanwaltlich) zu prüfen.

Nur in ganz eng begrenzten Fällen könnte ausnahmsweise von dem Grundsatz der vollständigen Nachbesserung innerhalb der gesetzten Frist eine Ausnahme gemacht werden. Denkbar sind insbesondere Konstellationen, in denen im Zeitpunkt des Fristablaufs nur noch ganz geringfügige Restarbeiten ausstehen. Die Einstufung von „ganz geringfügigen Restarbeiten“ ist eine Wertungsfrage, die in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden muss.