BGH zur unwirksamen Mietminderung eines Wohnraummieters wegen Baustellenlärm

Mit Urteil vom 29. April 2020 (Az. VIII ZR 31/18) hat der BGH über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen der von einem Nachbargrundstück ausgehende Baustellenlärm einen zur Mietminderung berechtigenden Mietmangel darstellt. Zudem hat er sich auch zur Darlegungs- und Beweislast der Parteien als auch zum richterlichen Entscheidungsmaßstab geäußert.

Hintergrund

Anlass des Rechtsstreits bildete die auf einem Nachbargrundstück eines Dritten im Berliner Innenstadtbereich betriebene Baustelle zur Errichtung eines Neubaus. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen aus Lärm und Schmutz veranlassten den Mieter, seine Wohnraummiete gegenüber seiner Vermieterin um 10 % zu mindern.

Infolge der gerichtlichen Auseinandersetzung verneinte das angerufene Amtsgericht die Minderung des Mieters mit der Begründung, er habe bei Vertragsschluss von der Baulücke gewusst und aufgrund der bekanntermaßen bestehenden Wohnungsnot in Berlin mit der Errichtung eines Gebäudes rechnen müssen. Dieser Argumentation ist das Landgericht nicht gefolgt und sprach dem Mieter die Minderung zu.

Entscheidung

Der BGH hat nun auf die Revision der Vermieterin das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung sowie Entscheidung zurückverwiesen. Dazu hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen durch eine auf dem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss.

Weiter trifft den Mieter für das Vorliegen eines Mietmangels die Darlegungs- und Beweislast, die sich nach den mietrechtlichen Verantwortungsbereichen bemisst. Er muss also konkret darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.

Schließlich hat der BGH in seiner Entscheidung klargestellt, dass ein Tatrichter von den insofern zu treffenden Festsetzungen nicht mit der Begründung absehen darf, dass Baumaßnahmen, die auf einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Baustelle durchgeführt werden, typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergingen, die eine Mietminderung rechtfertigten. Ein solcher Erfahrungssatz existiert nicht. Vielmehr ist die Frage, ob ein eine Mietwohnung betreffender Mietmangel infolge von Baustellenimmissionen vorliegt, nur im Wege der Betrachtung von Art und Umfang der Immissionen im konkreten Einzelfall zu beantworten.

Bewertung

Die nun getroffene Entscheidung des BGH reiht sich ein in eine seit Jahren konsistente Rechtsprechungslinie, die der Nachentwicklung von Wohnraum im Innenstadtbereich einen hohen Stellenwert zukommen lässt. Vor dem Hintergrund, dass der Wohnraum in deutschen Städten knapp ist und der Bedarf hiernach stetig wächst, ist mit fortschreitenden Bauaktivitäten zu rechnen. Die Entscheidung des BGH schafft nun Klarheit, dass Baulärm nicht automatisch eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt, sondern – je nach Einzelfall – von Mietern und Vermietern zu dulden ist.

Aljoscha S. Schäfer, LL.M. (UvA)
Rechtsanwalt
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