BGH: Verjährungshemmung für Schadensersatzanspruch hemmt auch Verjährung des Vorschussanspruchs

Ein aktuelles Urteil des BGH (Urt. v. 19.11.2020, Az. VII ZR 193/19) illustriert die Bedeutung des § 213 BGB im Bereich der werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche: Wer im Wege der Aufrechnung die Verjährung eines gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruchs hemmt, kann selbst nach Ablauf der Verjährungsfrist statt des Schadensersatzanspruchs noch einen Anspruch auf Vorschusszahlung für eine Mangelbeseitigung geltend machen – und zwar auch, soweit der Vorschussanspruch den Schadensersatzanspruch wertmäßig übersteigt.

Sachverhalt

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns aus einem gekündigten Bauvertrag. Die Beklagte erklärte in dem Verfahren zunächst die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 104.289,12 € wegen Mängeln der klägerischen Werkleistung: Der Umfang des Schadensersatzanspruchs wurde von der Beklagten anhand der fiktiven Kosten für die Mangelbeseitigung bestimmt.

Der mit der Angelegenheit erstmals im Jahr 2018 befasste VII. Zivilsenat des BGH verwies den Rechtsstreit mit Blick auf seine zwischenzeitlich geänderte Rechtsprechung zur Berechnung der Schadenshöhe anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten (hierzu BGH, Urt. v. 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17) an das OLG Bremen zurück. Dort erklärte die Beklagte nunmehr die Aufrechnung mit einem Vorschussanspruch in Höhe von 165.198,01 €. Die Klägerin wendete hiergegen ein, dieser Anspruch sei in der Zwischenzeit jedenfalls über den Betrag von 104.289,12 € hinaus verjährt.

Entscheidung

Der zum zweiten Mal mit der Sache befasste VII. Zivilsenat des BGH entschied, dass der Vorschussanspruch der Beklagten in Höhe von 165.198,01 € nicht verjährt sei. Zur Begründung führt der Senat wie folgt aus:

„Nach § 213 BGB erstreckt sich die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf alle Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Nach allgemeiner Auffassung trifft dies für alle in § 634 BGB geregelten werkvertraglichen Nacherfüllungs- und Mängelrechte zu, die auf demselben Mangel beruhen […] Im Werkvertragsrecht fällt hierunter auch der Vorschussanspruch gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB. Dieser steht dem Besteller aufgrund eines Werkmangels etwa wahlweise zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu […].

Damit hat die bis zum Wechsel auf den Vorschussanspruch andauernde Hemmung der Verjährung des letztlich nicht durchgreifenden Schadensersatzanspruchs auch zur Hemmung der Verjährung des Vorschussanspruchs bis zu dem Zeitpunkt geführt, in dem er mit der Widerklage verfolgt wurde.

Es ist unerheblich, dass die Beklagte – jedenfalls zuletzt – mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen wollte, der den Betrag des nunmehr verfolgten Vorschussanspruchs nicht erreichte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Wirkungserstreckung des § 213 BGB nicht auf den Umfang der Hemmung durch eine erhobene Klage beschränkt. Wollte man dem Gläubiger in Anbetracht der unterschiedlichen Rechtsfolgen etwa von Minderung und Rücktritt die Erstreckung einer Verjährungshemmung nur in Höhe eines zunächst eingeklagten Betrags zubilligen, liefe der Schutz des § 213 BGB […] weitgehend leer (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 180/14 Rn. 36, BGHZ 205, 151). Nichts anderes gilt, wenn eine Verjährungshemmung durch die Geltendmachung einer Aufrechnung des Anspruchs im Prozess gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB auf einen anderen Anspruch erstreckt wird. § 213 BGB unterscheidet nicht nach dem Grund der Hemmung. Der Gläubiger – hier der Mängelansprüche – soll in allen Fällen davor geschützt werden, dass inzwischen andere Ansprüche auf dasselbe Interesse verjähren, die von vornherein wahlweise neben dem geltend gemachten Anspruch gegeben sind oder auf die er stattdessen übergehen kann.“

Fazit

Die Entscheidung des BGH ist mit Blick auf die Gesetzeslage und die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung folgerichtig und rechtlich zwingend. Sie kann dem juristischen Praktiker und den Baubeteiligten aber die Bedeutung und Wirkung des § 213 BGB noch einmal anschaulich vor Augen führen. Erwähnt sei abschließend noch, dass die Beklagte durch die Aufrechnung mit dem Vorschussanspruch nicht nur den Zahlungsanspruch der Klägerin zu Fall bringen, sondern den überschüssigen Betrag darüber hinaus erfolgreich im Wege der von ihr erhobenen Widerklage geltend machen konnte.