BGH: Keine Mängelrechte vor Abnahme, aber …

Der 7. Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil vom 19.01.2017 (veröffentlicht am 16.02.2017) die in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung äußert umstrittene Frage beantwortet, ob dem Besteller einer Werkleistung vor Abnahme die Gewährleistungsrechte des § 634 BGB zustehen.

Die Entscheidung lässt sich mit den Worten „Dem Besteller stehen vor Abnahme grundsätzlich nicht die Gewährleistungsrechte des § 634 BGB zu, aber …“ zusammenfassen. Der BGH stellt ausdrücklich klar, dass dem Besteller eine Werkleistung im Anwendungsrecht des BGB-Werkvertrags die Mängelrechte des § 634 BGB erst nach Abnahme zu stehen. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Mangelfreiheit einer Leistung sei die Abnahme. Bis dahin könne und dürfe der Besteller selbst bestimmen, wie er seine Verpflichtung gegenüber dem Besteller aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Die Rechte des Bestellers seien dennoch gewahrt, da er vor Abnahme auch auf Herstellung klagen könne. Die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelfreiheit seiner Leistung liege insoweit bei dem Unternehmer. Außerdem stünden dem Besteller vor Abnahme auch Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, nämlich Schadensersatz statt der Leistung, Aufwendungsersatz, Ersatz von Verzugsschäden zu. Damit seien seine Interessen hinreichend gewahrt. So weit, so richtig.

Weiter führt der BGH aus, dass der Besteller jedoch in bestimmten Fällen dazu berechtigt sein könne, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis Nr. 4 BGB auch ohne Abnahme geltend zu machen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen könne und dementsprechend ein Abrechnungsverhältnis entstanden sei. Davon sei auszugehen, wenn der Unternehmer das Werk als fertig gestellt zur Abnahme anbiete und der Besteller Schadensersatz statt der Leistung oder Minderung gegenüber dem Unternehmer geltend mache. Diese Ausführungen entsprechen der ständigen Rechtsprechung des 7. Zivilsenats. Dagegen würde der Herstellungsanspruch des Bestellers dann nicht erlöschen (demnach kein Abrechnungsverhältnis entstehen), wenn der Besteller gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, Abs. 3 BGB einen Kostenvorschuss zur Beseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme geltend mache. Der Besteller sei berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)Erfüllungsanspruch geltend zu machen. Diese Möglichkeit stünde dem Besteller nur dann nicht mehr offen, wenn er den (Nach-)Erfüllungsanspruch nicht mehr geltend machen könne, weil er ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht habe, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt.

Zu begrüßen ist, dass der BGH den seit langem schwelenden Streit in der Literatur und Rechtsprechung beendet und klarstellt, dass dem Besteller vor Abnahme grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche zu stehen. Nach Auffassung der Verfasserin dieses Betrags ist jedoch die Ausnahme für den im Gewährleistungsrecht (und nur dort) enthaltenen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Selbstvornahme unsauber; auch dieser Anspruch gehört zu den Gewährleistungsrechten des § 634 BGB. Derzeit noch unklar ist auch wie der Besteller trotz Geltendmachung eines Kostenvorschusses umschwenken und doch noch Herstellung verlangen können soll. Fraglich ist überdies, wie die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Kostenvorschussklage (vor Abnahme) verteilt sein soll. Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast (da das Recht nur nach Abnahme in Betracht kommt) den Besteller. Wenn der Besteller jedoch vor Abnahme einen Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung verlangt, muss dann der Unternehmer im Rahmen einer Kostenvorschussklage des Bestellers darlegen und beweisen, dass seine Leistung mangelfrei ist? Auch dies wird durch die Entscheidung des BGH nicht beantwortet. Die weitere Entwicklung ist abzuwarten.