BGH befasst EuGH erneut mit Mindestsätzen für Planungs- und Architektenleistungen nach HOAI (Beschl. v. 14.05.2020 – VII ZR 174/19)

Mit Spannung wurde der für den 14. Mai 2020 anberaumte Verhandlungstermin des VII. Zivilsenats des BGH erwartet, in dem das oberste deutsche Zivilgericht erstmals die Gelegenheit hatte, sich seit dem wegweisenden Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 (C-377/17) zur Anwendbarkeit der Mindestsätze der HOAI zu äußern.

Der EuGH hatte in dem genannten Urteil entschieden, dass die in der HOAI festgelegten Mindestsätze für Architekten- und Ingenieurleistungen nicht mit Artikel 15 der der Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) in Einklang zu bringen seien. In der Folge herrschte bei den deutschen Instanzgerichten große Unsicherheit darüber, welche Folgen diese Rechtsprechung für bereits anhängige Verfahren haben sollte. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, mit der Entscheidung des EuGH sei die Verbindlichkeit des HOAI-Preisrechts hinfällig geworden, so dass die Mindestsätze wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts von den nationalstaatlichen Gerichten auch nicht mehr zu berücksichtigen seien (vgl. u.a. OLG Celle, Urt. v. 01.04.2020 – 14 U 185/19; OLG Celle, Urt. v. 13.05.2020 – 14 U 71/19). Anders wurde die Rechtslage jedoch in der hiesigen Vorinstanz beurteilt. Das OLG Hamm war der Ansicht, der klagende Architekt könne trotz des erwähnten EuGH-Urteils ein Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI verlangen (OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2019 – 21 U 24/18).

Der zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dieses Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV u.a. die Frage vorgelegt, ob die

„Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen in der Weise unmittelbare Wirkung entfaltet, dass die dieser Richtlinie entgegenstehenden nationalen Regelungen in § 7 HOAI, wonach die in dieser Honorarordnung statuierten Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure – abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen – verbindlich sind und eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden sind.“

Damit ist die Frage angesprochen, ob das Urteil des BGH nicht nur den deutschen Gesetzgeber bindet, sondern darüber hinaus auch Wirkung in bereits anhängigen Gerichtsverfahren erlangen soll.

Bis zur Klärung dieser Frage durch den EuGH wird die Rechtsunsicherheit, die an deutschen Gerichten hinsichtlich der Anwendbarkeit der Mindestsätze besteht, nun fortdauern. Man darf jedoch durchaus hoffen, dass die Rechtslage anschließend als weitgehend geklärt betrachtet werden kann. Denn der BGH hat vorgesorgt und sich nicht auf die oben zitierte Vorlagefrage beschränkt. Für den Fall, dass der EuGH zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass eine Wirkung in bereits anhängigen Verfahren nicht in Betracht kommt, formuliert der BGH zwei weitere Fragen. So möge sich der EuGH dazu äußern, ob in der Regelung verbindlicher Mindestsätze in § 7 HOAI ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts liege und ob ein solcher Verstoß dazu führe, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über verbindliche Mindestsätze nicht mehr anzuwenden seien. Der BGH weitet in weiser Voraussicht somit den Blick und unterstellt die Mindestsatzregelung – unter Vorbehalt – einer umfassenden Prüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, wobei er auch die praktischen Konsequenzen für bereits anhängige Verfahren im Blick hat.