BGH: § 8 Abs. 2 VOB/B (Kündigung im Insolvenzfall) ist wirksam!

Circa vor einem Jahr hatten wir im Rahmen dieses Newsletters über ein Urteil des OLG Frankfurt (Urteil vom 16.03.2015, Az. 1 U 38/14) zu der Frage, ob § 8 Abs. 2 VOB/B wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam sei, berichtet.

Diskutiert wurde diese Frage in der jüngeren Vergangenheit im Lichte einer Entscheidung des BGH zu ähnlich gestrickten Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren und Energien (Urteil vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11). Der BGH hatte in insolvenzbedingten Lösungsklauseln bei solchen Energielieferverträgen einen Verstoß gegen §§ 103, 119 InsO gesehen, der zur Unwirksamkeit der Lösungsklausel führt. Hiernach stellte sich die Frage, ob dasselbe Schicksal auch für die in § 8 Abs. 2 VOB/B vorgesehene Lösungsklausel gelten müsse. Die Instanzenrechtsprechung tendierte in der Mehrzahl dazu, § 8 Abs. 2 VOB/B gleichwohl als wirksam anzusehen. Die Sachverhalte (Energieliefervertrag und Bauvertrag) seien nicht vergleichbar, insbesondere weil das Werkvertragsrecht für den Bauvertrag in § 649 BGB ohnehin die Möglichkeit der freien Kündigung vorsehe. Das OLG Frankfurt folgte dieser Rechtsprechung – ausdrücklich unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zu Energielieferverträgen – nicht und entschied, die in § 8 Abs. 2 VOB/B vorgesehene Lösungsklausel sei wegen Verstoßes gegen §§ 104, 119 InsO unwirksam.

Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 07.04.2016 zum Az. VII ZR 56/15 das Urteil des OLG Frankfurt „kassiert“ und klargestellt, dass das in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B vereinbarte Kündigungsrecht als auch die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B vereinbarten Rechtsfolgen dieses Kündigungsrechts – jedenfalls für den Fall des Eigeninsolvenzvertrags des Auftragnehmers – trotz der Zielsetzung der Insolvenzordnung unter Berücksichtigung der besonderen Interessenlage der an einem Bauvertrag Beteiligten mit den §§ 103, 119 InsO zu vereinbaren sind. Der BGH schließt sich der Begründung der Instanzenrechtsprechung an: Die Kündigungsregelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B gehe – isoliert betrachtet – nicht weiter als die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nach § 649 Satz 1 BGB, wonach der Auftraggeber jederzeit berechtigt sei, den Werkvertrag zu kündigen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B habe daher nur deklaratorische Bedeutung. Nichts anderes ergebe sich aber auch bei einer Gesamtbetrachtung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B mit den sich aus der Kündigung wegen eines Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers ergebenden Rechtsfolgen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B. Auch dies folge aus den besonderen Umständen eines Bauvertrags. Denn im Unterschied zu anderen Gläubigern, insbesondere Warenlieferanten, habe der Auftraggeber eines Bauvertrags regelmäßig ein schwerwiegendes, die Interessen der Insolvenzgläubiger an einer Fortführung des Bauvertrags erheblich überwiegendes Interesse daran, sich im Falle des Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers frühzeitig vom Vertrag lösen zu können und den ihm durch die anderweitige Vergabe der Restarbeiten etwa entstandenen Schaden geltend zu machen, ohne gemäß § 649 Satz 2 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung einer Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verpflichtet zu sein. Zudem sei es dem Auftraggeber häufig auch in persönlicher Hinsicht nicht zuzumuten, den Vertrag gegen seinen Willen mit dem Auftragnehmer, der einen Eigeninsolvenzantrag gestellt habe, oder mit dem Insolvenzverwalter fortzusetzen. Beim Bauvertrag seien die persönlichen Eigenschaften eines Auftragnehmers (Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) für den Auftraggeber von wesentlicher Bedeutung. Der Abschluss eines Bauvertrags erfolge deshalb regelmäßig unter Inanspruchnahme besonderen Vertrauens. Dieses aber zerstöre der Schuldner, der einen Eigeninsolvenzantrag stelle. Durch seinen Eigeninsolvenzantrag zerstöre der Auftragnehmer in der Regel das für die Fortführung des Bauvertragsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis, weshalb der Auftraggeber ohnehin berechtigt sei, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen. Zugleich werde dem Auftraggeber regelmäßig auch ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 3, § 282 BGB gegen den Auftragnehmer zustehen, da dieser mit seinem Eigeninsolvenzantrag seine aus dem Bauvertrag resultierende Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Auftraggebers verletzt habe. Der BGH stellt daher fest, dass auch die Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B regelmäßig nicht weiter gehen als die dem Auftraggeber im Falle eines Eigeninsolvenzantrags gesetzlich und aufgrund Richterrechts bereits zustehenden Rechte.

Jedenfalls für den Fall eines Eigeninsolvenzantrags ist die Streitfrage damit höchstrichterlich beantwortet. Auch künftig kann der Auftraggeber bei einem VOB-Vertrag in solchem Fall kündigen, ohne dass er eine Vergütung für die Restleistungen schuldet.