„Beschlusszwang“ im WEG-Recht für bauliche Veränderungen: WEG-Beschluss ist auch erforderlich, wenn bauliche Veränderung „verlangt“ werden kann (BGH, Urteil vom 17.03.2023, Az. V ZR 140/22

Ein Wohnungseigentümer, der eine in der Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, muss vor Baubeginn einen Gestattungsbeschluss herbeiführen. Notfalls ist eine Beschlussersetzungsklage zu erheben.

Der Fall

In dem konkreten Fall hatte ein Wohnungseigentümer gegen den Willen des anderen Eigentümers mit dem Bau eines Swimmingpools im Garten begonnen. Die beiden Eigentümer bildeten eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften. Der Garten gehörte zum Gemeinschaftseigentum, jeder Wohnungseigentümer hatte an dem an die jeweilige Doppelhaushälfte angrenzenden Gartenbereich ein Sondernutzungsrecht. Der Beklagte hatte bereits die Grube für den geplanten Swimmingpool ausgehoben, als der Kläger vor Gericht die Unterlassung der Baumaßnahmen forderte.

Die Entscheidung

Die Unterlassungsklage hatte Erfolg. Wie schon die beiden Vorinstanzen, entschied auch der BGH – unter Verweis auf das neue seit Ende 2020 geltende Wohnungseigentumsrecht –, dass vor Beginn der Baumaßnahmen ein entsprechender Beschluss der Eigentümergemeinschaft erfolgen muss. Dies gilt auch dann, wenn der bauwillige Eigentümer die Gestattung der baulichen Maßnahme „verlangen“ kann. Allein das Vorliegen eines solchen Anspruchs reicht nicht aus. Seit Inkrafttreten des neuen WEG-Rechts muss die Gestattung durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen. So wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Vor Baubeginn muss daher in jedem Fall der Beschluss der anderen Eigentümer eingeholt werden. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Beschlusserfordernis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG in der Gemeinschaftsordnung abbedungen worden ist.

Der Hintergrund

Vor dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEGMoG) im Dezember 2020 war die Frage, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft bedürfen, stark umstritten. Der Gesetzgeber hat dies durch die Reform des WEG-Rechts nun in § 20 Abs.1 WEG dahin gehend entschieden, dass jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses bedarf. Dies gilt unabhängig davon, ob einer der anderen Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung in einer rechtlich relevanten Weise beeinträchtigt wird oder nicht.

Die Reform des WEG Rechts sollte unter anderem auch die Durchführung bestimmter baulicher Veränderungen am Gebäude erleichtern. Aus § 20 Abs.2 WEG ergibt sich ein Anspruch auf bauliche Veränderungen, die der Barrierefreiheit, der Elektromobilität, dem Einbruchsschutz oder dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen. § 20 Abs. 2 S. 2 WEG lautet: „über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.“

Auch wenn ein Anspruch auf die Durchführung einer baulichen Veränderung besteht, kann es verschiedene Ausführungs- und Gestaltungsvarianten geben. Durch das Erfordernis eines Beschlusses werden alle Wohnungseigentümer stets über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert und können auf die konkrete Ausgestaltung der baulichen Veränderung einwirken. Aus dem nun durch das Gesetz geregelten Verfahren ergibt sich zudem der Vorteil, dass mit der Bestandskraft eines Beschlusses zwischen den Wohnungseigentümern und auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern klare Verhältnisse über die Zulässigkeit von baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum geschaffen werden.

Wenn eine Gestattung durch die anderen Eigentümer verweigert wird, kann notfalls eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs.1 S.2 WEG erhoben werden.

Wird mit den Bauarbeiten begonnen, ohne dass zuvor ein entsprechender Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gefasst wurde, steht den anderen Eigentümern ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs.1 Satz 2 BGB zu.