Bedenkenanzeige unmittelbar an Auftraggeber!

Mit Urteil vom 24.05.2019 hat das OLG Schleswig (Az. 1 U 71/18) entschieden, dass der Auftragnehmer (AN) durch einen pauschalen Bedenkenhinweis gegenüber dem Bauleiter nicht von seiner Leistungsverpflichtung befreit wird. Dem Auftraggeber (AG) unmittelbar muss vielmehr durch den Bedenkenhinweis hinreichend klar und deutlich werden, in welchem Umfang ein Mangel besteht und welche Auswirkungen dies für die Funktionalität des Werks haben könnte. Insbesondere wird der Bedenkenhinweispflicht nicht durch einen pauschalen Hinweis an einen Bauleiter des AG Genüge getan – auch wenn dieser über besondere Fachkenntnisse verfügt. Mit Beschluss vom 27.05.2020 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr zurückgewiesen.

SACHVERHALT

Der AG (hier in Form eines Generalunternehmers) und spätere Kläger beauftragte im Jahr 2013 unter Einbeziehung der VOB/B einen Nachunternehmer (NU – hier Beklagte) mit der Erbringung von Abdichtungsarbeiten. Hierbei stellte der NU einen Mangel bei den Vorleistungen eines anderen Nachunternehmers fest, was dazu führte, dass er nicht mehr entsprechend des ursprünglichen Plans seine Leistungen erbringen konnte. Dies teilte er einem fachkundigen Bauleiter des AG per E-Mail mit, er teilte auch mit, wie er seine Leistungen alternativ erbringen könnte. (Diese Form der Ausführung stellte für sich unstreitig einen Mangel dar.) Der Bauleiter teilte dem NU mit, die Leistungen entsprechend seines „Alternativvorschlags“ zu erbringen. Im Jahr 2015 wurde festgestellt, dass Feuchtigkeit in das Gebäude eindrang. Hierbei wurde die mangelhafte Ausführung der Abdichtungsarbeit des NU festgestellt. Der NU verweigerte Nachbesserungsarbeiten ohne Bezahlung. Daraufhin beauftragte der AG den NU mit Sanierungsarbeiten auf Stundenlohnbasis. Im Rechtsstreit verlangt der AG nun die gezahlten Kosten der Mängelbeseitigung in Höhe von 108.704,57 Euro zurück. Das Landgericht sah den Bedenkenhinweis des Nachunternehmers als ausreichend an und wies die Klage ab.

ENTSCHEIDUNG

Das Oberlandesgericht Schleswig „kassierte“ das erstinstanzliche Urteil: Der Kläger habe Recht – es bestehe eine Zahlungspflicht des beklagten NU hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten –, ein rechtmäßiger Bedenkenhinweis (und damit verbundene Enthaftung des beklagten NU) liege hier nicht vor:

Der AN/NU hat sich nicht durch seinen Bedenkenhinweis von der Verantwortung befreit. Er bleibt auch dann verantwortlich, wenn der Mangel aus der Sphäre des AG – wie Leistungen eines Vorunternehmers – herrührt. Zwar kann ein AN sich in diesem Fall nach § 13 Abs. 3 VOB/B von der Verantwortung befreien, wenn er den AG nach § 4 Abs. 3 VOB/B auf die bestehenden Bedenken hinweist, dabei ist dieser Bedenkenhinweis (anders als im vorliegenden Fall) insbesondere an den richtigen Adressaten zu richten und muss einen hinreichenden Inhalt haben.

Zwar kann ein Bedenkenhinweis grundsätzlich auch an einen bauleitenden Architekten erteilt werden, jedoch muss der AN – zu seiner Enthaftung – den AG unmittelbar informieren, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat. Nichts anderes gilt, wenn der AG sich eines Bauleiters bedient, denn der Vertrag des AN besteht dennoch weiterhin allein zum AG. Der auftragnehmerischen Bedenkenhinweispflicht ist allerdings dann Genüge getan, wenn der Bauleiter der Hinweispflicht Folge leistet respektive die Leistung im Ergebnis regelkonform und nicht mangelhaft ist.

Der Bedenkenhinweis muss inhaltlich klar bestimmt sein. Nicht ausreichend sei die pauschale Behauptung, die beabsichtigte Ausführung stelle einen Mangel dar. Vielmehr bedarf es einer hinreichend genauen Begründung hinsichtlich des Mangels und die mögliche Reichweite der Folgen. Dem AG muss die Tragweite der Nichtbefolgung klar werden, die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Bauausführung müssen konkret dargelegt werden. Das Vorhandensein von entsprechender Fachkunde des Bauleiters oder AN ändert an diesen Anforderungen nichts.

PRAXISHINWEIS/FAZIT

Eine Bedenkenanzeige sollte stets unverzüglich, schriftlich und deutlich formuliert an den richtigen Adressaten, in der Regel den Auftraggeber erfolgen. Aus Praktikabilitätsgründen erscheint zusätzlich die Zusendung einer Abschrift dieses Bedenkenhinweises an den bauleitenden Architekten als angezeigt, ersetzt jedoch nicht die Anzeigepflicht des Bedenkenhinweises gegenüber dem AG.

Das Urteil des OLG Schleswig überzeugt. Der AG schuldet dem AN keine Bauüberwachung. Aus diesem Grund muss der AN seinen Bedenkenhinweis so genau wie möglich fassen. Das gilt selbst dann, wenn der Auftraggeber fachkundig ist. Andernfalls würde der Auftraggeber das Herstellungsrisiko übernehmen. Die Rechtsprechung stärkt die Stellung des Auftraggebers, schwächt aber auch nicht die Rechte des Auftragnehmers, indem es insbesondere fordert, dass der hinreichend bestimmte Bedenkenhinweis zu seiner Wirksamkeit an den richtigen Adressaten zu richten ist: den Auftraggeber.

(OLG Schleswig, Urteil vom 24.05.2019, Az. 1 U 71/18; nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH-Beschluss vom 27.05.2020)