Ausgekräht: Warum „Bigfoot“ nicht im allgemeinen Wohngebiet gehalten werden darf

Mit Beschluss vom 29.05.2024 hat sich das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Az. 10 B 368/24) mit der Frage der Kleintierhaltung im allgemeinen Wohngebiet auseinandergesetzt und dabei klargestellt, dass Kriterium für eine Zulässigkeit als Nebenanlage und Einrichtung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO stets der Einzelfall anhand der Eigenart des Baugebiets ist.

Der Fall

Die Antragsteller sind in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vorgegangen, die die Haltung des Hahnes „Bigfoot“ auf dem Grundstück der Antragsteller untersagen und diesen aufgeben, den Hahn innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu entfernen. Außerdem wurde den Antragstellern die künftige Haltung eines Hahnes oder mehrerer Hähne auf dem Grundstück untersagt und Zwangsgeld bei Zuwiderhandlung angedroht. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag nicht abgeholfen, da die Ordnungsverfügungen bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen würden. So stünde die Nutzung im Widerspruch zu § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. der durch Bebauungsplan erfolgten Festsetzung als allgemeines Wohngebiet (WA) i. S. d. § 4 BauNVO (1977) und § 14 BauNVO (1977). Die Haltung eines Hahnes oder mehrerer Hähne auf dem Grundstück der Antragsteller widerspreche der Eigenart des Wohngebiets. Außerdem führe das Krähen des Hahnes zu kurzfristigen, aber kräftigen Lärmimpulsen, die auch durch Vermeidungsmaßnahmen (Haltung im Stall während der Nachtzeit etc.) nicht vermieden werden könnten.

Die Entscheidung

Das Oberverwaltungsgericht NRW bestätigt die Auffassung der Vorinstanz. So beurteile sich die Frage, ob Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Nebenanlagen i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen, nach der örtlichen Situation im Einzelfall. Gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind außer den in den §§ 2 bis 13 BauNVO genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen.

Das Oberverwaltungsgericht NRW ist der Auffassung, die Vorinstanz habe Umstände des Einzelfalls weder unzutreffend noch nicht hinreichend gewürdigt. Die Annahme der Antragsteller, dass die Haltung eines Hahns im allgemeinen Wohngebiet erst recht zulässig sein müsse, weil diese sogar im reinen Wohngebiet zulässig sei, gehe fehl. Das Vorbringen, dass es sich bei dem Hahn der Antragsteller nicht um einen solchen handele, welcher durch gehäuft auftretendes Krähen auffalle, könne der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung der Zulässigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO nicht auf den Charakter des derzeit gehaltenen Hahns „Bigfoot“ und dessen besonderes Krähverhalten abgestellt. Dass dies geboten wäre, hätten die Antragsteller auch nicht substantiiert vorgetragen. Neben den weiteren Argumenten der Antragsteller sei vor allem auch nicht auf den „Gedanken der Nachhaltigkeit“ in der Hinsicht abzustellen, dass die Eigenversorgung mit Eiern aus eigener Haltung im allgemeinen Wohngebiet ermöglicht werde. Dazu bedürfe es keines Hahns.

Folgen für die Praxis

Die vorstehende Entscheidung zeigt auf, dass bei derartigen Entscheidungen zur Haltung von Kleintieren in Wohngebieten stets der Einzelfall zu berücksichtigen ist und keine schematischen „Obergrenzen“ etwa hinsichtlich der Zulässigkeit einer bestimmten Anzahl an Tieren heranzuziehen sind. Das bedeutet für den jeweiligen Eigentümer bzw. die jeweilige Eigentümerin eine umfassende Prüfung der örtlichen Situation in der Umgebung des Vorhabens und die anschließende Prüfung, ob die Haltung des gewünschten Kleintieres der Eigenart des Baugebietes ggf. widerspricht.

Zurück
Maike Schiffer

Maike Schiffer

ZUM PROFIL