Aktuelles zur Corona-Pandemie: Erlass des Bundesinnenministeriums zu bauvertraglichen Fragen

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat mit Erlass vom 23.03.2020 bekannt gegeben, wie mit den sich im Hinblick auf die Corona-Pandemie stellenden bauvertraglichen Fragen umgegangen werden soll. Die in dem Erlass getroffenen Anordnungen entfalten unmittelbare Geltung für die Baustellen des Bundes, haben aber auch darüber hinaus Signalwirkung für sämtliche Baumaßnahmen, ob im öffentlichen oder im privaten Sektor.

Inhaltlich lassen sich die Anordnungen des mit sofortiger Wirkung geltenden Erlasses wie folgt zusammenfassen:

Fortsetzung der Baumaßnahmen

Der Bund als Auftraggeber hält seine Baustellen trotz des sich ausbreitenden Corona-Virus weiter offen. Baumaßnahmen sollen erst eingestellt werden, wenn behördliche Maßnahmen dies zwingend erfordern, etwa weil Betretensverbote ausgesprochen werden, oder aufgrund behördlicher Maßnahmen ein sinnvoller Weiterbetrieb nicht möglich ist, z. B. weil überwiegende Teile der Beschäftigten des Auftragnehmers unter Quarantäne gestellt worden sind.

Eine wichtige Funktion im Rahmen der Fortführung der Baustellen kommt nach Auffassung des Bundesinnenministeriums dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) nach § 3 BaustellenV zu. Dieser ist auftraggeberseits anzuweisen, die Gefahren der Ansteckung bzw. Verbreitung des Virus möglichst zu minimieren.

Umgang mit Bauablaufstörungen

Das Bundesinnenministerium hält die Pandemie grundsätzlich für geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B auszulösen, mit der Folge, dass sich die Ausführungsfristen verlängern. Insoweit sei jedoch eine pauschale Betrachtung nicht angezeigt, vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, warum ein Bauunternehmen seine Leistung tatsächlich nicht erbringen könne.

In dem Erlass werden konkrete Beispiele genannt, die für höhere Gewalt und damit für unabwendbare Umstände sprechen. Der darlegungs- und beweisbelastete Auftragnehmer könne sich z.B. darauf berufen, dass ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt ist und er auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden kann. Weitere tragfähige Umstände zur Begründung von höherer Gewalt könnten Reisebeschränkungen sein, die es den Beschäftigten des Auftragnehmers unmöglich machen, die Baustelle zu erreichen, und kein Ersatz realisierbar ist. Auch wenn der Auftragnehmer kein Baumaterial beschaffen kann, könne höhere Gewalt gegeben sein.

Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfülle hingegen den Tatbestand der höheren Gewalt nicht.

Auch für den Auftraggeber könne sich höhere Gewalt ergeben, z.B., weil die Projektleitung in Quarantäne gestellt wird. In solch einem Fall sei es erforderlich, dass nachvollziehbar dokumentiert werde, warum die Projektleitung nicht aus dem Homeoffice erfolgen kann, oder dass und warum keine Vertretung organisiert werden kann.

Zahlungen

Das Bundesinnenministerium gesteht der unverzüglichen Prüfung und Begleichung von Rechnungen der Auftragnehmer einen besonders hohen Stellenwert zu. Die Dienststellen seien gehalten, dies durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang weist das Bundesinnenministerium ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, gegen Bürgschaftsleistung des Auftragnehmers Vorauszahlungen zu leisten (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B). Ob dies zur Fortführung der Baumaßnahme sinnvoll ist, sei im Einzelfall zu entscheiden.

Fazit

Mit dem vorstehend skizzierten Erlass gibt das Bundesinnenministerium für die jeweils vorzunehmende Einzelfallbetrachtung wertvolle Hinweise, anhand derer sich die Baubeteiligten orientieren können und die in der Praxis eine Erleichterung für Auftragnehmer darstellen dürften, sich erfolgreich auf eine Verlängerung von Ausführungsfristen zu berufen. Auch bedeutet der Erlass einen wichtigen Fingerzeig in Richtung der gesamten Bauindustrie, da Bereitschaft dahin gehend demonstriert und abverlangt wird, die Krise durch gemeinsame Anstrengung durchzustehen. Zu erwähnen ist hier insbesondere die Zusage des Bundes, Rechnungen so schnell wie möglich zu bezahlen, und die Empfehlung, Vorauszahlungen zu leisten. Hierbei dürfte es sich um wirksame Mittel handeln, etwaigen Liquiditätsengpässen auf Seiten der Firmen entgegenzutreten.