Mit Beschluss vom 16.08.2016 (VK 1-29/16) hat die Vergabekammer Westfalen die bisherige Rechtsprechung zur Transparenz von Bewertungsgrundlagen bestätigt. Der öffentliche Auftraggeber hat die Vorgaben für die Bewertung der Angebote offenzulegen und darf seine Bewertungsmethode nach Erhalt der Angebote nicht ändern.
Der Fall
Die Auftraggeberin schrieb Wachdienstleistungen für eine Liegenschaft, in der Flüchtlinge untergebracht werden, für den Zeitraum von einem Jahr in einem europaweiten Verfahren nach der VOL/A-EG aus. Als Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis bestimmt worden, welcher aus der Wertungssumme der Angebote ermittelt wird. Die Bieter hatten hierbei die Stundensätze pro Fachkraft mit und ohne Qualifizierung anzugeben. In der Leistungsbeschreibung hatte die Auftraggeberin als Basis für die Kalkulation verschiedene Belegungsvarianten – von kleine, über halbe, bis volle Belegung – angegeben. Nach Eingang der Angebote wurde auf Veranlassung des Rechnungsprüfungsamts eine Korrektur der Bewertungsmethode vorgenommen: Für die Wertung wurde statt der bekanntgemachten fiktiven Auslastung die tatsächlich benötigte Zahl der Bewachungsstunden gemessen am Belegungsumfang für ein Jahr zu Grunde gelegt. Die Bieterin, welche für den Zuschlag nunmehr nicht mehr vorgesehen war, legte gegen die Entscheidung der Auftraggeberin einen Nachprüfungsantrag ein.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer Westfalen hielt das Vorgehen der Auftraggeberin für vergaberechtswidrig. Noch einmal bekräftigte die Vergabekammer, dass der öffentliche Auftraggeber an den von ihm bekanntgegebenen Zuschlagskriterien, möglichen Unterkriterien und deren Gewichtung als auch den Bewertungsmaßstäben gebunden ist und bei der Wertung der Angebote hiervon nicht abweichen darf. Jeder Bieter muss vor Abgabe seines Angebots Klarheit darüber haben, worauf es dem öffentlichen Auftraggeber bei der Zuschlagsentscheidung entscheidend ankommt. Nur so werde er in die Lage versetzt, seine Chancen auf den Zuschlag realistisch einschätzen und sein Angebot entsprechend ausgestalten zu können. Andernfalls werde gegen das Transparenzgebot verstoßen. Vorliegend habe die Auftraggeberin jedoch eine andere Bewertungsmatrix bzw. Bewertungsmethode angewendet als die, welche sie den Bietern bekanntgegeben hat, was letztlich zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat. Die Anwendung einer Umrechnungsformel nach Eingang der Angebote sei aber unzulässig.
Anmerkung
Die Entscheidung der Vergabekammer Westfalen bestätigt die bisher herrschende Rechtsprechung. Sie verdeutlicht zudem, dass auch der Europäische Gerichtshof mit der Entscheidung vom 14.07.2016 (C-6/15) keine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung betreffend der Transparenz der Bewertungsgrundlage (so z. B. in der Rechtssache C-72/10 und C-77/10, Urteil vom 16.02.2012) beabsichtigte. In diesem Urteil hat der Gerichtshof lediglich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe von Gewichtungskoeffizienten für die Unterkriterien abgestellt und es für zulässig gehalten, unter ganz engen, bestimmten Voraussetzungen solche erst nach Eingang der Angebote, jedoch vor deren Öffnung festzulegen. So hat auch die Vergabekammer Bund in ihrem Beschluss vom 31.08.2016 (VK 2-79/16), in dem die Vergabekammer explizit auf die Entscheidung des EuGH vom 14.07.2016 eingeht, feststellt, dass diese nicht verallgemeinerungsfähige Entscheidung des EuGH nichts daran ändert, dass uneindeutige und mit einer pauschalen Bewertungsskala versehene Bewertungskriterien nicht den Anforderungen an den Transparenzgrundsatz genügen. Letztlich verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die detaillierte Bewertungsgrundlage den Bietern rechtzeitig, d. h. vor Angebotsabgabe, bekanntzugeben ist.