Können negative Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte in einer WhatsApp-Gruppe zu einer fristlosen Kündigung führen oder sind diese vertraulich?

Es kommt auf die Art der Nachricht und die Größe der Gruppe an, so jetzt das BAG in seinem Urteil vom 24.08.2023 - 2 AZR 17/23 (Vorinstanz: LAG Niedersachsen).

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten WhatsApp-Gruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

DER FALL

Der bei der Arbeitgeberin beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer WhatsApp-Gruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, davon zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u. a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen.

Nachdem die Arbeitgeberin hiervon zufällig Kenntnis erhielt, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2021 und den Betriebsrat mit Schreiben vom 27.07.2021 an, der noch an diesem Tag der fristlosen Kündigung zustimmte. Mit Schreiben vom 28.07.2021 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2022.

Der Gekündigte wehrte sich dagegen zunächst erfolgreich: Beide Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage des Klägers statt.

DIE ENTSCHEIDUNG

Die zugelassene Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg.

Laut Pressemitteilung des BAG habe das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend die ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Bei rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen von Arbeitskollegen in WhatsApp-Gruppen drohe eine außerordentliche Kündigung, wenn menschenverachtende Pöbeleien öffentlich werden, so das BAG.

Eine Vertraulichkeitserwartung sei jedoch nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der WhatsApp-Gruppe. Seien Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten könne, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das BAG hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Dieses hat dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung zu geben, warum er angesichts der Größe der Chat-Gruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben dürfte.

PRAXISHINWEIS

Die spannende Frage danach, ob eine kleine WhatsApp-Gruppe eine Art geschützter, privater Raum sein kann, in dem Vertraulichkeit gilt und daher sogar Beschimpfungen oder Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können, wurde erstmals vor dem Bundesarbeitsgericht thematisiert. Bislang ist die Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen im vorbenannten Kontext uneinheitlich. Letztlich wird immer der jeweilige Einzelfall zu bewerten sein und für die Erwartung der Vertraulichkeit wird es durch die Maßstäbe des BAG nunmehr maßgeblich auf die Art der Nachricht und die Größe der Gruppe ankommen.

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Anne C. Jonas

Anne C. Jonas

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