Betriebsratswahlen – wenn kaum jemand will

Das Amt des Betriebsrats ist ein Ehrenamt gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG. Betriebsratsmitglieder erhalten keinen finanziellen Ausgleich für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit, obwohl sie auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber verhandeln und hohe Erwartungen der Belegschaft erfüllen müssen. Kein Wunder, dass Bewerber*innen in einigen Unternehmen rar sind.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob eine Betriebsratswahl nichtig oder unwirksam ist, wenn sich zu wenige Kandidaten für das Amt zur Verfügung stellen.

Bislang liegt nur eine Pressemitteilung vor.

DER FALL

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Trägerin einer Klinik in Hamburg mit regelmäßig ca. 170 Arbeitnehmern. Im Mai 2022 fand eine Betriebsratswahl statt, bei der nur drei Personen kandidierten. Alle drei Personen wurden in den Betriebsrat gewählt.

Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl. Sie war der Ansicht, dass kein gesetzeskonformer Betriebsrat gebildet worden sei. Nach § 9 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit 101 bis 200 Arbeitnehmern nämlich aus sieben Mitgliedern.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 04.10.2022 (Az. 12 BV 7/22) zurückgewiesen.

Das LAG Hamburg hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 14.06.2023 (Az. 7 TaBV 1/23) bestätigt. Zur Begründung führte es aus, dass eine Anfechtbarkeit nach § 19 BetrVG wegen der Unterschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Zahl von Betriebsratsmitgliedern nicht gegeben sei. Zwar regele § 9 BetrVG zwingend die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, hiervon könne aber u. a. abgewichen werden, wenn nicht genügend wählbare Arbeitnehmer vorhanden oder bereit seien, das Amt zu übernehmen. In diesem Fall sei § 11 BetrVG entsprechend anzuwenden.

DIE ENTSCHEIDUNG

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 24.04.2024 – 7 ABR 26/23) keinen Erfolg. Es stehe der Wahl eines Betriebsrats nichts entgegen, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Das folge vor allem aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgedrückten Willen des Gesetzgebers, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Bei der Betriebsratsgröße sei in der Konstellation von weniger Kandidaten als zu besetzenden Betriebsratssitzen auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG so lange zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreicht.

DAS FAZIT

Eine Anfechtung der Betriebsratswahl ist aus den obigen Gründen nicht zielführend. Allerdings ist in solchen Fällen mit einer höheren Arbeitsbelastung der wenigen vorhandenen Betriebsratsmitglieder zu rechnen, da diese mitunter mehr Verantwortung und Aufgaben übernehmen müssen. Arbeitgeber sollten dies bedenken und ggf. bei der Personalplanung berücksichtigen. Abhilfe könnte z. B. durch die Bereitstellung eines (zusätzlichen) Betriebsratssekretärs geschaffen werden.

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Ernst Eisenbeis

Ernst Eisenbeis

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