Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG – BAG begrenzt Umfang der Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers

Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch einer Kündigung gem. § 102 BetrVG ist regelmäßig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich im Hinblick auf den Umfang der Unterrichtungspflicht klar positioniert und hat in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2020, Az. 2 AZR 678/19, mit Blick auf den Gesetzeswortlaut klargestellt, dass dem Betriebsrat zwar die Kündigungsgründe in der Anhörung mitzuteilen sind, nicht jedoch sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen der beabsichtigten Kündigung.

Der Fall

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Neben der Bewertung des materiell-rechtlichen Kündigungsgrundes befasste sich das BAG ausführlich mit dem erforderlichen Umfang der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und hat die im Streit stehende Anhörung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts als ordnungsgemäß erfolgt betrachtet.

Die Entscheidung

In seinen Entscheidungsgründen hat der Senat einen klaren Fokus auf den Wortlaut des § 102 Abs. 1 BetrVG gelegt und sich sodann näher mit dem Umfang der erforderlichen Unterrichtung befasst. Dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zufolge hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung richte sich sodann nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Demnach solle der Betriebsrat durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden, sachgerecht, das heißt gegebenenfalls zugunsten des Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber einzuwirken. Um dies zu gewährleisten, sei der zum Kündigungsentschluss führende Sachverhalt so ausführlich darzustellen, dass der Betriebsrat die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden kann. Aus der objektiv zutreffenden Sachverhaltsschilderung darf der Arbeitgeber nach Auffassung des Senats im Rahmen der Anhörung tatsächliche und rechtliche Schlussfolgerungen ziehen und diese dem Betriebsrat mitteilen. Ob die Würdigung des Arbeitgebers in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht richtig war, sei jedoch keine Frage der Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens, sondern obliege der arbeitsgerichtlichen Bewertung im Kündigungsschutzprozess. Demnach gehöre zu den mitteilungspflichtigen „Gründen für die Kündigung“ im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zwar der kündigungsbegründende Sachverhalt, nicht jedoch nähere Ausführungen zur Wahrung der Ausschlussfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB. Ein solches Erfordernis würde die Zwecke des Anhörungsverfahrens überdehnen, so das BAG.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG ist mit Blick auf eine sinn- und zweckgemäße Mitbestimmung bei Kündigungen zu begrüßen. Der Betriebsrat soll aufgrund des im Rahmen der Anhörung mitgeteilten Sachverhalts entscheiden können, ob er den Trennungsentschluss des Arbeitgebers nachvollziehen kann und mittragen möchte. Nur in diesem Fall kann er seine Mitbestimmungsrechte ordnungsgemäß ausüben. Die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung obliegt jedoch dem Arbeitsgericht und nicht dem Betriebsrat, weshalb die Unterrichtungspflicht richtigerweise zu begrenzen ist.

Zu beachten ist jedoch, dass dem Betriebsrat mögliche Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung nicht gezielt verschwiegen werden dürfen. Bei der Formulierung der Betriebsratsanhörung ist daher darauf zu achten, dass auch für den Arbeitnehmer sprechende Argumente aufzunehmen und gegenüber dem Betriebsrat darzulegen sind. Ferner ist besondere Sorgfalt erforderlich, sofern der Arbeitgeber freiwillige Angaben, beispielsweise zur Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, macht. Freiwillige Angaben müssen zwingend wahrheitsgemäß erfolgen, da ansonsten die Betriebsratsanhörung fehlerhaft sein dürfte, was wiederum zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

Rechtsanwältin Astrid Helene Ternes
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