BAG bestätigt Testpflicht einer Flötistin bei der Bayerischen Staatsoper

Das BAG hat sich mit der spannenden Frage befasst, ob das arbeitgeberseitige Direktionsrecht während der Pandemie auch die Anordnung von PCR-Test umfasst.

DER FALL

Zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 hatte die Bayerische Staatsoper im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzeptes bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen und gemeinsam mit Medizinern eine Teststrategie entwickelt. Hiernach sollten die Orchestermusiker zum Saison-Auftakt einen negativen PCR-Test vorlegen und alle ein bis drei Wochen weitere Tests. Die PCR-Testung konnte auf Kosten der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit erfolgen. Alternativ konnten die Beschäftigten auch einen entsprechenden Befund eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen.

Die bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigte Flötistin lehnte die angeordneten Tests ab, da sie hierin einen Eingriff in ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie ihre körperliche Unversehrtheit sah. Die Staatsoper stellte sie daraufhin unbezahlt frei.

Mit ihrer Klage machte die Flötistin nunmehr Gehaltsnachzahlungen geltend, da sie arbeitsfähig sei. Die Staatsoper verweigerte die Zahlung und berief sich auf den Gesundheitsschutz sowie die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten auch gegenüber den weiteren Beschäftigten, die wirksame und effektive Hygienemaßnahmen verlangten. Aufgrund der Eigenart der Beschäftigung sei das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen nicht möglich denn der Orchestergraben sei räumlich begrenzt, eine Ausweitung des Platzes zur Ermöglichung größerer Abstände schlicht nicht möglich.

Das Arbeitsgericht München (Urteil vom 24.03.2021, Az. 19 Ca 11406/20) und das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 26.10.2021, A9 Sa 332/21) gaben der Staatsoper Recht und wiesen die Zahlungsklage der Flötistin ab. Denn wenn der Arbeitnehmer nicht bereit sei, die betreffende Arbeit bei seinem Arbeitgeber zu den vertraglichen Bedingungen zu erbringen, fehle es an der arbeitnehmerseitigen Leistungsbereitschaft. Arbeitgeberseitiger Annahmeverzug bei Nichtbeschäftigung scheide dann aus, so die Begründung der Münchner Richter:innen. Ein Arbeitgeber habe überdies ein erhebliches Interesse an der Durchführung der Tests, da er sowohl privat- als auch öffentlich-rechtlich verpflichtet sei, die Gesundheit der anderen Arbeitnehmer zu schützen.

Aus der in § 618 BGB normierten Schutzpflicht folge die Verpflichtung des Arbeitgebers, seine Beschäftigten gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit zu schützen, wie es die Natur der Dienstleistung gestatte. Dazu müsse der Arbeitgeber gem. § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die Anordnung von PCR-Tests sei zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Die Tests seien auch erforderlich gewesen. Die Bayerische Staatsoper habe neben den Tests überdies die weiteren in der maßgeblichen SARS-CoV2-Arbeitsschutzregel vorgesehenen Schutzmaßnahmen implementiert. Da die Tätigkeit als Flötistin zudem nicht mit Maske erbracht werden könne, sei eine Testpflicht erforderlich.

DIE ENTSCHEIDUNG

Auch vor dem BAG blieb die Flötistin nun erfolglos. Ausweislich der Pressemitteilung ist die Anweisung zum Testen rechtmäßig gewesen. Die Bayerische Staatsoper hat zunächst technische und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken ergriffen. Sie hat sodann mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vorsah, um hierdurch den Spielbetrieb zu ermöglichen und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin entsprachen billigem Ermessen. So ist der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird.

Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat die Staatsoper der Klägerin zu Recht keine Vergütung für den fraglichen Zeitraum gezahlt.

DAS FAZIT

Für Arbeitgeber bietet die Entscheidung des BAG Entlastung. Denn sie gibt Arbeitgebern Leitlinien an die Hand, welche betrieblichen Hygienekonzepte möglich sind. Das Urteil stützt sich dabei auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht. So bestätigt das BAG, dass Arbeitgeber betriebliche Hygienemaßnahmen anweisen können.

Natürlich müssen die jeweils im Hygienekonzept vorgesehenen Maßnahmen verhältnismäßig sein und ein bestehender Betriebsrat wäre hierbei gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen.

Zu beachten ist, dass der Sachverhalt dieser Entscheidung zu Corona-Hochzeiten spielte. Jedenfalls im Hinblick auf die derzeit rückläufigen Infektionszahlen müssen die jeweils getroffenen Maßnahmen genau unter Berücksichtigung der betrieblichen Situation geprüft und fortlaufend angepasst werden. So werden je nach Einzelfall und Infektionsgeschehen das Persönlichkeitsinteresse der Mitarbeiter:innen im Rahmen der Güterabwägung zu berücksichtigen sein. Dies kann sich jedoch bei steigernden Zahlen im Herbst wieder ändern.

(BAG Urteil vom 01.06.2022 – 5 AZR 28/22).

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Anne C. Jonas

Anne C. Jonas

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