Update zur Möglichkeit der Beschränkung des Internetvertriebs: Schafft Luxemburg Klarheit?

Markenhersteller treibt seit langem die Frage um, in welchem Maße sie ihren Vertriebsmittlern Beschränkungen hinsichtlich des Vertriebs über das Internet auferlegen dürfen. Die Rechtslage ist uneinheitlich. Zuletzt hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main ein in einem Vertriebsvertrag enthaltenes Verbot des Vertriebs über Amazon Marketplace für zulässig erachtet und damit erneut Bewegung in die Diskussion gebracht. Nunmehr wird der EuGH Gelegenheit haben, zur grundlegenden kartellrechtlichen Problematik Stellung zu nehmen (OLG Frankfurt am Main, 19.04.2016, 11 U 96/14 (Kart)).

Hintergrund

Seit längerer Zeit ist in der kartellrechtlichen Rechtsprechung und Literatur umstritten, in welchem Maße insbesondere Markenhersteller ihren Vertriebsmittlern Beschränkungen des Internetvertriebs auferlegen dürfen. Namentlich steht die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellungsvereinbarung für vertikale Vereinbarungen zur Diskussion – verschiedene Gerichte haben Beschränkungen des Internetvertriebs als Kernbeschränkung im Sinne dieser Gruppenfreistellungsverordnung beurteilt, was eine Zulässigkeit regelmäßig ausschließt. Nach wohl überwiegender Ansicht der deutschen Rechtsprechung also verstoßen Beschränkungen des Vertriebs über das Internet regelmäßig gegen Kartellrecht. Das Bundeskartellamt teilt diese kritische Einschätzung (vgl. die Verfahren adidas und Asics) – CBH berichtete über die Problematik bereits hier, hier und hier.

Die Vorlagefragen des OLG Frankfurt

Im Rahmen eines ebenfalls über die Zulässigkeit bestimmter Vertriebsbeschränkungen in einem selektiven Vertriebssystem gerichteten Verfahrens hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nunmehr dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die folgenden Fragen vorgelegt:

  1. Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines „Luxusimages“ der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen? Falls die Frage zu 1) bejaht wird:
  2. Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden?
  3. Ist Art. 4 lit b der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt?
  4. Ist Art. 4 lit c der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt?

Ausblick

Mit Spannung darf die Entscheidung des EuGH zu diesen Fragen erwartet werden. Das Vorlageverfahren bietet Gelegenheit, zu wesentlichen Grundfragen des Verhältnisses der Freiheit des Markenherstellers, seine Vertriebsstrukturen nach seinen Vorstellungen zu organisieren und zur kartellrechtlich geschützten Freiheit des Vertriebsmittlers, seinerseits nicht wettbewerbsbeschränkenden Verpflichtungen unterworfen zu werden, Ausführungen zu machen. Aus Sicht der Praxis wäre es außerordentlich zu begrüßen, wenn der EuGH die Gelegenheit nutzen würde, durch grundlegende Herausarbeitung der kartellrechtlichen Grenzen möglicher Vertriebsbeschränkungen für die Unternehmen „sicheren Rechtsgrund“ zu schaffen. Wir werden das Verfahren natürlich weiter beobachten und an dieser Stelle über etwaige Entwicklungen berichten.