Richtige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, bei der die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erst nach Stellung des Antrags beim Integrationsamt erfolgte, ist unwirksam (LAG Sachsen, Urteil vom 08.06.2018 – 5 Sa 458/17; ArbG Hagen, Urteil vom 06.03.2018 – 5 Ca 1902/17).

Hintergrund

Im vergangenen Jahr wurde das Sozialgesetzbuch IX, das sich unter anderem mit den Rechten von schwerbehinderten Mitarbeitern befasst, weitreichend geändert. Zahlreiche Normen sind „umgezogen“, sind jetzt also an neuer Stelle im Gesetz zu finden, andere Normen haben auch inhaltliche Änderungen erfahren. Vermutlich wichtigster Punkt für Arbeitgeber, die die Trennung von einem schwerbehinderten Mitarbeiter vorbereiten: Die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung führt nach neuer Fassung des Gesetzes zur Unwirksamkeit der Kündigung (§ 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX, früher § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX).

Das wirft unweigerlich die Frage auf, wie die Schwerbehindertenvertretung im Vorfeld einer Kündigung ordnungsgemäß beteiligt werden muss. Das Gesetz beantwortet diese Frage nicht eindeutig: „Unverzüglich“ ist sie zu „unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören“ sowie die „getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen“.

Erste Entscheidungen (Sächsisches Landesarbeitsgericht und Arbeitsgericht Hagen)

Antworten aus der Rechtsprechung haben in diesem Jahr unabhängig voneinander das Sächsische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 08.06.2018) und das Arbeitsgericht Hagen (Urteil vom 06.03.2018) geliefert: Beide Entscheidungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Schwerbehindertenvertretung in jedem Fall vor dem Antrag beim Integrationsamt, in dem dieses um die Zustimmung zur Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers gebeten wird, zu beteiligen ist. Anderenfalls ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung kann auch nicht nachgeholt werden.

Einordnung der Entscheidungen

Auch wenn beide Entscheidungen noch nicht rechtskräftig sind – gegen die Entscheidung des LAG Sachen wurde Revision beim Bundesarbeitsgericht (Az. 2 AZR 278/18); gegen die Entscheidung des Arbeitsgericht Hagen Berufung beim LAG Hamm (Az. 15 Sa 426/18) eingelegt –, sind Arbeitgeber aktuell gut beraten, an die beiden Entscheidungen angelehnt, den sichersten Weg zu wählen und in Betrieben, in denen eine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist, bei der Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern in jedem Fall vor dem Zustimmungsantrag an das Integrationsamt diese über die Kündigungsabsicht zu unterrichten und (analog zur Beteiligung des Betriebsrats) ihr Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Woche bzw. drei Tagen zu geben. Der Antrag beim Integrationsamt sollte erst dann gestellt werden, wenn innerhalb der Fristen keine Stellungnahme oder eine Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung eingeht. Äußert die Schwerbehindertenvertretung Bedenken gegen die Kündigung, sollte sie vor dem Antrag an das Integrationsamt darüber informiert werden, dass das Kündigungsverfahren gleichwohl weiter betrieben wird.

Die Beteiligung des Betriebsrats hat natürlich ebenfalls zu erfolgen, ist jedoch im Hinblick auf die zeitliche Abfolge – verglichen mit dem Verfahren nach § 178 Abs. 2 SGB IX – weniger streng: Es genügt zur Einhaltung der Anforderungen von § 102 BetrVG, den Betriebsrat „vor Ausspruch der Kündigung“ anzuhören, also in der Regel dann, wenn das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt hat.

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und an dieser Stelle berichten, sobald sich eine Änderung der Rechtsprechung abzeichnet.

Weiterführende Informationen:

Entscheidungsgründe des ArbG Hagen, Urteil vom 06.03.2018

Unseren Überblick aus 2016 zu den wichtigsten Änderungen im SGB IX finden Sie hier: http://www.cbh.de/News2/Personal-Sozialwesen/2016/Die-wichtigsten-Neuerungen-2017-im-Recht-der-Schwerbehindertenvertretung

Über den vorläufigen Zwischenstand bei der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen berichteten wir Ende 2017 hier: http://www.cbh.de/News2/Personal-Sozialwesen/2017/Beteiligung-der-Schwerbehindertenvertretung-bei-Kuendigungen-ein-Zwischenstand.