Am 9. Oktober 2023 hat die Monopolkommission ihr 9. Sektorgutachten Energie unter der Überschrift „Mit Wettbewerb aus der Energiekrise“ vorgestellt. Das unabhängige Gremium, das die Bundesregierung zu Fragen der Wettbewerbspolitik berät, empfiehlt konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Effizienz der zukünftigen Energieversorgung.
Allgemeine Inhalte
Im Ergebnis hält die Monopolkommission eine wettbewerbsorientierte Sicherung der Energieversorgung für erforderlich, die Importstruktur bei Gas soll stärker diversifiziert und flexibilisiert werden und im Stromsektor empfiehlt sie einen wettbewerbsgesteuerten Kapazitätsmarkt. Direkte Transferzahlungen seien Preiseingriffen auf der Haushaltsebene vorzuziehen; die Energiepreisbremse dagegen solle auslaufen. Im Bereich der Elektromobilität rät sie, Ausschreibungen auf kommunaler Ebene zu unterstützen und mehrere Wettbewerber an den Lademärkten auf Raststätten zum Zuge kommen zu lassen.
Ergebnisse für Elektromobilität
– Allgemeine Entwicklung –
Im Bereich der Elektromobilität untersucht die Monopolkommission vorrangig die Lademärkte. Hier profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher laut Sektorgutachten von einem Wettbewerb der Anbieter von Ladeinfrastruktur: Der Konzentrationsgrad der einzelnen Anbieter sei weiter hoch, aber abnehmend. Die größten Anbieter würden immer noch über einen hohen durchschnittlichen deutschlandweiten Marktanteil von 49 % bzw. 45 % bei Normal- und Schnellladepunkten verfügen. Auf einer von der Monopolkommission zur Verfügung gestellten Website, lassen sich zahlreiche regionale Daten dazu detailliert abrufen (https://www.monopolkommission.de/cpo/concentration.html). Das bei der Bundesnetzagentur angesiedelte Laderegister wies zum 01.04.2023 rund 88.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte an rund 32.000 Standorten aus – eine Verdopplung der Zahl der Ladepunkte in den vergangenen zwei Jahren. Trotz der Verdreifachung der Zahl der zugelassenen Pkw mit batterieelektrischem Antrieb im Jahr 2022 bezweifelt die Monopolkommission die tatsächliche Notwendigkeit des von der Bundesregierung vorgegebenen Wachstumsziels von 1 Mio. Ladepunkten bis 2023 für das deutsche Ladenetz.
Spannendes Ergebnis: Der Bedarf an Ladepunkten richte sich mehr nach der zur Verfügung stehenden kumulierten Ladeleistung als nach deren Anzahl.
– Wettbewerbsstruktur der Lademärkte –
Die Voraussetzungen für wettbewerbliche Strukturen auf den Lademärkten unterscheide sich in drei wesentlichen Punkten von denen auf den klassischen Tankstellenmärkten:
- Erstens einer deutlich größeren Knappheit der zum Aufbau von öffentlich zugänglichen Ladepunkten verfügbaren Standorte, was auf eine längere Dauer des Lade- als des Tankvorgangs, aber auch einem deutlich höheren Flächenbedarf für parkende und ladende Fahrzeuge, zurückzuführen sei.
- Zweitens unterscheide sich auch der Interaktionsprozess am Ende der Wertschöpfungskette des batterieelektrischen öffentlichen Ladens deutlich von dem der Tankstellenmärkte. Hintergrund sei, dass der Betreiber einer Ladesäule nur dann auch Vertragspartner sei, wenn bei unmittelbarer Benutzung der Ladesäule das von ihm bereitgestellte Zahlungssystem genutzt werde („Direct Pay“ oder „Ad-hoc-Laden“) – was bislang die Ausnahme darstelle, es dominiere weiter die Bezahlung mit der Ladekarte eines E-Mobility-Service-Providers (EMP). Bei der Bezahlung mit der Ladekarte sei der EMP der eigentliche Vertragspartner, der die Preise für die Ladevorgänge unabhängig vom Ladesäulenbetreiber festlege.
- Drittens sei ein substanzieller Unterschied, dass für Lademärkte – im Gegensatz zu Tankstellenmärkten – ein staatlicher Förderbedarf angenommen werde, wofür aber auch ökonomische und verteilungspolitische Gründe sprechen würden. Dem „Henne-Ei-Problem“ – also dem Problem, dass Konsumentinnen und Konsumenten eine Gewissheit fordern, bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen auch genügend zur Verfügung stehende Ladepunkte zu haben, beides aber voneinander abhängig sei und sich nicht parallel entwickle – könne eine Subvention der Errichtung von Ladepunkten als Lösung des möglichen Marktversagens abhelfen. Auch könne sich durch eine Förderung der Preisunterschied zwischen privatem Laden und dem Laden an öffentlich zugänglichen Ladesäulen marktkonform reduzieren.
Im Vergleich zu den beiden vorherigen Sektorgutachten beschäftigt sich das aktuelle 9. Sektorgutachten nicht mit der Marktabgrenzung auf dem Flächenmarkt. Im 8. Sektorgutachten äußerte die Monopolkommission noch ausdrücklich, dass nach ökonomischer Betrachtung die Auftragsvergabe der Kommunen an CPOs eine Marktbeziehung sei, im Rahmen derer die Kommune durch alleinige Kontrolle des öffentlichen Raums über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne eines Monopols verfüge. Anscheinend besteht hier kein weiterer Klärungsbedarf mehr.
– Wettbewerb um den Flächenmarkt –
Bislang setzten viele Kommunen auf die exklusive Beauftragung eines eigenen Stadtwerks oder auf die Beauftragung einzelner Anbieter. Hinzu kämen unterschiedliche Zugangsverfahren aufgrund zahlreicher Unterschiede in regulatorischen Rahmenbedingungen, die neuen Akteuren den Eintritt in die lokalen Märkte erschweren. Die Kritik der neuen Akteure sei, dass keine vereinfachte Flächenbereitstellung forciert werde, um die Flächenauswahl und Errichtung von Ladepunkten stärker dem Markt zu überlassen. Jedoch blieben zahlreiche Anforderungen, z. B. aus dem Straßenverkehrsrecht sowie städtebauliche Interessen der Kommunen, zu berücksichtigen. Ein Ausgleich zwischen kommunalen und Marktinteressen könne im institutionellen Wettbewerb gelingen, indem Kommunen unterschiedliche Konzepte zum effektiven Aufbau von Ladenetzen erproben und damit besonders erfolgreiche Modelle erkennbar würden. Dazu sollten sog. „Lokale Masterpläne“ – nach dem Willen der Bundesregierung bereits bis Ende 2023 – erstellt werden, hinsichtlich derer die Monopolkommission auf den bereits existierenden „Leitfaden für kommunale Ausschreibungen zum Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur“ verweist, der ausdrücklich auch Verfahren nach dem Windhundprinzip zulässt.
Nach Empfehlung der Monopolkommission sollen Kommunen die Flächen für die Errichtung von Ladeinfrastrukturen tendenziell ausschreiben. Dabei sollen sie staatlicherseits unterstützt und die finanzielle Förderung an Bedingungen geknüpft werden. Die geplante Förderung kommunaler Vergaben sei sinnvoll, wenn die Förderfähigkeit ein wettbewerbliches Vergabeverfahren voraussetze. Um förderfähig zu sein, sollten Kommunen daher mehrere Lose mit überlappenden Ladepunkten vergeben und Inhouse-Vergaben sowie Vergaben des gesamten Aufbauvolumens an einen einzelnen Betreiber auf Ausnahmen beschränkt bleiben.
– Wettbewerb um den Zugang zu Flächen an Raststätten-
Um die Preise für das ad-hoc-Laden zugänglich zu machen, erfordere der Wettbewerb um Autobahn-Ladesäulen den Zugang mehrerer Wettbewerber zu den Raststätten. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes und der Monopolkommission stellen Ladepunkte an und in der Nähe von Autobahnen einen eigenständigen Markt dar, bei dem von vornherein nur ein Wettbewerbsmodell mit mehreren konkurrierenden Betreibern auf einer Rastanlage zielführend erscheine.
Fazit
Die Monopolkommission ist zwar ein unabhängiges Beratungsgremium, jedoch berät sie die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik und des Wettbewerbsrechts. Aufgrund der Forderung der Monopolkommission nach mehr Wettbewerb auf dem Energie- und Lademarkt wird in Zukunft auch mit einer erhöhten Wettbewerbsorientierung – etwa durch Gesetzesänderungen – in diesen Bereichen zu rechnen sein. Auf kommunaler Ebene setzt die Förderfähigkeit kommunaler Vergaben ein wettbewerbliches Vergabeverfahren voraus. Ähnlich wie bei § 18a Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen könnte im Straßenrecht ein wettbewerbliches Verfahren bei der Errichtung von Ladepunkten normiert werden, um die straßenverkehrsrechtlichen Belange der Kommunen mit einer vereinfachten Flächenbereitstellung zu vereinbaren.