Europäisches Medienfreiheitsgesetz: Neue Regeln für die Vergabe staatlicher Leistungen an Medien und Online-Plattformen

Im März haben EU-Parlament und Rat das neue Medienfreiheitsgesetz verabschiedet. Es verlangt von den Mitgliedstaaten unter anderem, staatliche Werbeaufträge an Medien und Online-Plattformen diskriminierungsfrei zu vergeben und die Werbeausgaben offenzulegen. Staatliche Stellen sollten die Zeit bis zum Inkrafttreten der Regelung nutzen, um ihre Vergabepraxis für Werbeaufträge neu aufzustellen.

Hintergrund

Mit dem Europäischen Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act – EMFA) will die EU die Unabhängigkeit von Medienunternehmen stärken und damit auch die Offenheit des demokratischen Diskurses in den Mitgliedstaaten sichern. Anlass für das Vorgehen des europäischen Gesetzgebers bieten frühere Vorgänge in verschiedenen Mitgliedstaaten: In Polen und Ungarn hatten staatlich beherrschte Unternehmen regierungskritische Medien „bestraft“, indem sie ihnen staatliche Werbeaufträge entzogen hatten. Auch in Österreich wurde der von Bundeskanzler Sebastian Kurz geführten Bundesregierung vorgeworfen, durch das Schalten umfangreicher Werbeanzeigen die Berichterstattung in bestimmten Medien in ihrem Sinne beeinflussen zu wollen. Das neue Gesetz will solchen Einflussnahmen einen Riegel vorschieben: Artikel 25 EMFA schreibt daher ein diskriminierungsfreies Verfahren zur Vergabe staatlicher Leistungen an Medien und Online-Plattformen vor und verpflichtet zugleich zur Offenlegung dieser Leistungen.

Anwendungsbereich

Adressaten der neuen Regeln sind „Behörden und öffentliche Stellen“. Der EMFA versteht hierunter „eine nationale oder subnationale Regierung, eine Regulierungsbehörde oder -stelle sowie eine von einer nationalen oder subnationalen Regierung direkt oder indirekt kontrollierte Stelle“. Demnach sind explizit auch kontrollierte Einheiten, also Unternehmen in öffentlicher Hand wie z. B. die Stadtwerke, erfasst.

Die Regeln gelten zunächst für die Vergabe „staatlicher Werbeaufträge“. Dieser Begriff ist denkbar weit gefasst und umfasst nach der gesetzlichen Definition „die Platzierung, Herausstellung, Veröffentlichung oder Verbreitung einer Werbebotschaft oder von Eigenwerbung oder einer öffentlichen Mitteilung oder Informationskampagne in einem Mediendienst oder auf einer Online-Plattform, in der Regel gegen Entgelt oder sonstige Gegenleistungen, durch oder für eine Behörde oder öffentliche Stelle“. Von der Stellenausschreibung einer Behörde über die Tourismuswerbung einer Gemeinde bis hin zur Informationskampagne einer Regierung – z. B. für eine Corona-Schutzimpfung – fallen viele Fälle unter diese Definition. Betroffen ist aber nur die Werbung in Medien (z. B. Presse, Hörfunk und Fernsehen) und auf Online-Plattformen; nicht erfasst ist die Außenwerbung auf Plakaten oder Fahrzeugen des ÖPNV.

Doch nicht nur die Vergabe staatlicher Werbeaufträge unterfällt den neuen Regelungen: auch Liefer- und Dienstleistungsaufträge an Mediendienstanbieter oder Anbieter von Online-Plattformen werden erfasst. Gemeint sind damit also sonstige staatliche Aufträge im Sinne des Vergaberechts.

Gegenstand der neuen Regelung ist die Zuweisung „öffentlicher Mittel“ für staatliche Werbung und Liefer- oder Dienstleistungsaufträge in Artikel 25 EMFA. Der Begriff selbst wird dort nicht definiert. Nach der Mitteilung der EU-Kommission zum Beihilfenbegriff (2016/C 262/01) sind staatliche Mittel solche, die dem Mitgliedstaat zugerechnet werden können – darunter fallen sämtliche Transaktionen aus Mitteln, die der öffentlichen Hand zuzurechnen sind. Ob der Begriff der „öffentlichen Mittel“ nach dem EMFA genauso weit auszulegen ist, bleibt abzuwarten.

Verhältnis zur öffentlichen Auftragsvergabe und zum EU-Beihilfenrecht

Wie sich auch aus den Erwägungsgründen zum EMFA entnehmen lässt, wird die Nutzung öffentlicher Mittel, die für staatliche Werbung und Liefer- oder Dienstleistungsaufträge gewährt werden, bislang nur teilweise durch national divergierende medienspezifische Maßnahmen und Unionsvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge geregelt, weshalb kein ausreichender Schutz vor Bevorzugung und Voreingenommenheit bei der Verbreitung besteht. Nach Artikel 10 der Richtlinie 2014/24/EU – bzw. im nationalen Recht gem. § 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB – sind Dienstleistungen, die von oder an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten vergeben werden, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über öffentliche Auftragsvergabe – zur Berücksichtigung besonderer kultureller Erwägungen – grundsätzlich ausgeschlossen. Daher ist es nur konsequent, dass Artikel 25 EMFA „nicht die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionsverträgen gemäß den Vorschriften der Union für die Vergabe öffentlicher Aufträge oder die Anwendung der Vorschriften der Union über staatliche Beihilfen“ berührt. Es soll vielmehr ein eigener Rahmen für die transparente, objektive, verhältnismäßige und nicht diskriminierende Zuweisung öffentlicher Mittel geschaffen werden, um einen verfälschten Wettbewerb zwischen Mediendienstanbietern und ungebührliche politische Einmischung in die Medien zu vermeiden.

Ausgestaltung des Vergabeverfahrens

Staatliche Werbe-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge an Mediendienstanbieter und Anbieter von Online-Plattformen müssen künftig in einem „offenen, verhältnismäßigen und nichtdiskriminierenden Verfahren“ bewilligt werden. Für dieses Verfahren müssen vorab transparente, objektive, verhältnismäßige und nicht diskriminierende Kriterien aufgestellt werden. Diese Kriterien sind vorab auf elektronischem und benutzerfreundlichem Weg zur Verfügung zu stellen. Die gemeinsamen Anforderungen an staatliche Werbe-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge soll die direkte und indirekte Vergabe öffentlicher Mittel, beispielsweise über spezialisierte Vermittler wie Werbeagenturen und Anbieter von Werbebörsen, abdecken.

Die Mitgliedstaaten sollen dabei sicherstellen, dass die Werbeaufträge auf möglichst viele Anbieter verteilt werden. Außerdem müssen Behörden und öffentliche Stellen jährlich über ihre Ausgaben für Werbung informieren. Dazu haben sie offenzulegen, welche Anbieter welche Summen erhalten haben.

Beaufsichtigung

Als EU-Verordnung gelten die Vorgaben unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Dennoch kommt auf die nationalen Gesetzgeber Arbeit zu: Sie müssen nämlich unabhängige Behörden oder Stellen festlegen, welche die Einhaltung von Artikel 25 EMFA beaufsichtigen. Auf Landesebene bieten sich hierfür die bereits unabhängig ausgestalteten Landesmedienanstalten an. Die Aufsichtsstellen sollen mit Auskunftsrechten gegenüber den Behörden und öffentlichen Stellen ausgestattet werden. Sie müssen ihrerseits jährlich über die Erfüllung der Pflichten von Behörden und öffentlichen Stellen Bericht erstatten.

Fazit und Ausblick

Der EMFA wurde am 17. April 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft; Artikel 25 gilt allerdings erst 15 Monate nach Inkrafttreten des EMFA. Behörden und öffentliche Stellen sollten die verbleibende Zeit nutzen, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Dazu sollte als Erstes jede Stelle abklären, ob sie überhaupt Adressat der neuen Regelungen ist. Trifft dies zu, muss die Vergabepraxis den neuen Vorgaben angepasst werden. Speziell für die Vergabe von staatlichen Werbeaufträgen bedeutet dies eine erhebliche Umstellung, denn bislang dürften die meisten staatlichen Stellen die Verteilung der Werbegelder auf einzelne Medien weitgehend den Mediaagenturen überlassen haben.

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Sarah Beard

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ZUM PROFIL
Dr. Jörg Frederik Ferreau

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