Das OVG NRW bestätigt in seinem Beschluss vom 04.03.2022 (Az. 2 A 469/21) die Aufhebung der Anordnung zur nachträglichen Schließung von Fenstern in zu Nachbarhäusern gewandten Giebelwänden.
Der Fall
Dem Kläger, der Eigentümer eines Hauses ist, wurde durch Ordnungsverfügung aufgegeben, Fenster, die sich in den Giebelwänden dieses Hauses befinden und die in Richtung der Nachbarhäuser ausgerichtet sind, in der Qualität gem. § 30 Abs. 3 Nr. 2 BauO NRW 2018 zu schließen. Die in Rede stehenden Fenster sind u. a. durch eine Baugenehmigung aus dem Jahre 1958 sowie einen Legalisierungsvorgang aus dem Jahre 2014 genehmigt bzw. legalisiert. Der ursprüngliche Einbau der in Rede stehenden Fenster widersprach der damaligen Rechtslage nicht. Danach fand eine Teilung der Grundstücke statt mit der Folge, dass die in Rede stehenden Giebelwände zu Gebäudeabschlusswänden wurden.
Gegen die Schließungsanordnung ging der Grundstückseigentümer gerichtlich erfolgreich vor.
Die Entscheidung
Das OVG NRW bestätigte die Aufhebung der Schließungsanordnung durch die erste Instanz. Dieses sei u. a. richtigerweise davon ausgegangen, dass sich der Kläger auf die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung auch weiterhin berufen könne, da diese weder nichtig noch unwirksam sei. Die Möglichkeit, die Baugenehmigung nach § 48 Abs. 1 VwVfG NRW zurückzunehmen, bestehe nicht mehr, da die Jahresfrist mittlerweile abgelaufen sei. Eine Situation, in der ordnungsbehördlich trotz Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung bzw. trotz Bestandsschutzes eingeschritten werden könne, sei ebenfalls nicht gegeben. Ein solches Einschreiten gegen bestandsgeschützte Anlagen setze entweder das Entstehen einer neuen Gefahrensituation durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus oder komme in Fällen in Betracht, in denen dies zur Beseitigung einer Gefahrensituation zwingend erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Ein Einschreiten setze eine konkrete Gefahr für Leib und Gesundheit voraus. Zwar sei die ordnungsbehördliche Eingriffsschwelle bei Brandgefahr tendenziell niedrig und könne dem Verstoß gegen normative Standards eine indizielle Bedeutung für das Vorliegen einer im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Gefahr zukommen. Dennoch und gerade im Kontext mit § 58 BauO NRW 2018 – sowie hier auch unter Berücksichtigung der über sechzig Jahre zurückliegenden Errichtung und seither ununterbrochenen Nutzung des Wohnhauses ohne entsprechendes Brandereignis – hätte fachkundig festgestellt werden müssen, dass nach den spezifischen örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht ganz unwahrscheinlich sei. Daran fehle es vorliegend.
Folgen für die Praxis
Führt eine Grundstücksteilung dazu, dass ein vor der Teilung genehmigungskonform errichtetes Gebäude in der dann durch Teilung entstehenden Nachbarwand Fenster aufweist, so führt dies nicht ohne Weiteres dazu, dass der Bestandsschutz verloren geht. Es ist genau zu prüfen, ob in der konkreten Situation eine Gefahr für Leib und Leben vorliegt. Dazu bedarf es einer fachkundigen Beurteilung der tatsächlich vorhandenen Gefahren. Mit dieser Entscheidung hat das OVG NRW klar zum Ausdruck gemacht, dass schematische Ordnungsverfügungen – ohne fachkundige Einzelfallbewertung – keinen Bestand haben.