Für die förderrechtliche Zulässigkeit eines vorzeitigen Maßnahmebeginns kommt es auf die Verwaltungspraxis des Fördergebers im Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheides an

In einem kürzlich ergangenen Urteil (Urt. v. 08.09.2023 – 4 A 2549/20) hat das OVG Münster entschieden, dass es bei Vertragsschlüssen, die nur einen so geringen (förderschädlichen) Umfang haben, dass ihretwegen bei wirtschaftlicher Betrachtung ausnahmsweise nicht mit der ungeförderten Durchführung gerechnet werden kann, generell ermessensgerecht sein kann, trotz (vorzeitigem) Abschluss eines solchen Vertrages (Teil-)Förderungen zu gewähren.

Sachverhalt

Die Klägerin wandte sich gegen die Rücknahme eines Bewilligungsbescheids, mit dem ihre Investitionsmaßnahmen bei dezentralen Niederschlagswasseranlagen gefördert worden waren. Bedingung der Förderung war dabei u. a., dass das Vorhaben nicht vor einer etwaigen Bewilligung der Förderung begonnen werden durfte (Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns).

Die vollständige Rücknahme des Zuwendungsbescheids hatte die beklagte Bewilligungsbehörde darauf gestützt, dass die Klägerin bereits vor der Bewilligung der Förderung mit der Maßnahme begonnen habe, da sie vorzeitig Ingenieur-Honorarverträge abgeschlossen habe, in denen neben Planungsleistungen auch auf die Bauvorhaben bezogene Leistungen vereinbart gewesen seien.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung bei dem OVG Münster ein – mit Erfolg.

Die Entscheidung

Das OVG hob den Rücknahmebescheid mit der Begründung auf, dass der zugrunde liegende Bewilligungsbescheid nicht rechtswidrig ergangen sei. So sei für die Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer Zuwendung entscheidend, wie die zuständige Behörde die maßgebliche Förderrichtlinie im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zuwendungsbescheids in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden ist.

Hier habe die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis die Förderfähigkeit einer Maßnahme regelmäßig aber gerade nicht vollständig versagt, wenn ihr bekannt gewesen ist, dass der jeweilige Antragsteller vorzeitig einen Ingenieurvertrag auch über die HOAI-Leistungsphasen 1 bis 6 sowie mindestens eine der Phasen 7 bis 9 abgeschlossen hatte. An diese Verwaltungspraxis sei sie auf Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes auch grundsätzlich gebunden, sofern nicht ausnahmsweise sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen. Da ein derartiger Ausnahmefall hier nicht vorliege, sei eine etwaige spätere Änderung der Verwaltungspraxis daher auch rechtlich unbeachtlich. Damit sei die der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechende Bewilligung auch nicht rechtswidrig erfolgt.

Praxishinweis

Das Urteil des OVG Münster ist zu begrüßen, weil es eine Ausnahme von dem in der Praxis häufig allzu streng gehandhabten Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns aufzeigt. Es stellt klar, dass ein Fördermittelgeber die Rücknahme eines Bewilligungsbescheids nicht darauf stützen kann, dass der Bescheid infolge einer nach dem Zeitpunkt der Bewilligung geänderten Verwaltungspraxis rechtswidrig geworden sei. Zu beachten ist aber, dass das Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns im Grundsatz unverändert bestehen bleibt. Dementsprechend sind Fördermittelempfänger auch weiterhin gehalten, das Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns im Blick zu behalten.

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OVG Münster die Revision zugelassen. Ob eine solche fristgerecht eingelegt worden ist, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags nicht bekannt.

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Max Burmeister, LL.M.

Max Burmeister, LL.M.

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