BVerwG: Einschränkung der Beteiligungsrechte durch die Vorgabe Stellungnahmen „schriftlich oder zur Niederschrift“ bei der Verwaltung einzureichen?

Die Einschränkung von Beteiligungsrechten im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung kann zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans führen. Insoweit ist auf die Beachtung der Beteiligungsrechte bei der Aufstellung von Bebauungsplänen besonderer Wert zu legen. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 07.06.2021 – 4 BN 50.20) hat aber klargestellt, dass der in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung eines Bebauungsplanentwurfs enthaltene Zusatz, dass Stellungnahmen „schriftlich oder zur Niederschrift“ der Verwaltung vorgebracht werden können, die Beteiligungsrechte nicht unzulässig einschränkt.

Hintergrund

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wendet sich die Antragstellerin gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan in Rheinland-Pfalz, mit dem der Vorhabenträgerin die Errichtung eines Einzelhandelsgeschäfts sowie eines Bäckerei-Cafés mit Backwarenverkauf ermöglicht werden soll. Die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans wurde am 20.04.2017 durch den Gemeinderat beschlossen. Die Offenlage des Bebauungsplanentwurfs gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB wurde am 22.11.2018 ortsüblich bekannt gemacht. Der Bekanntmachungstext enthielt die Formulierung, dass während der Auslegungsfrist Stellungnahmen „schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei der Gemeindeverwaltung vorgebracht werden“ konnten. Die Auslegung erfolgte sodann vom 30.11.2018 bis zum 04.01.2019. Am 16.04.2019 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan als Satzung. Die Antragstellerin, eine Interessengemeinschaft, stellte gegen diesen am 17.09.2019 einen Normenkontrollantrag vor dem OVG Koblenz. Sie bemängelte den Bebauungsplan u. a. als verfahrensfehlerhaft, da in der Auslegungsbekanntmachung die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme durch eine E-Mail-Nachricht nicht erwähnt wurde. Das OVG Koblenz wies den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 10.06.20202 (Az. 8 C 11403/19.OVG) als unbegründet ab. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht ein. Die Beschwerde wurde mit Beschluss vom 07.06.2021 zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht stellte klar, dass Ort und Dauer der Auslegung gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt gemacht werden müssen u. a. mit dem Hinweis darauf, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können. Die Bekanntmachung habe in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregung und Bedenken bewusst zu machen und dadurch gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Daher müsse diese so formuliert sein, dass ein Bürger nicht davon abgehalten wird, sich am Verfahren zu beteiligen. Sie darf somit keine Zusätze enthalten, die geeignet sein könnten, auch nur einen einzelnen Bürger von der Einreichung von Stellungnahmen abzuhalten. Besondere Anforderungen an die Form solcher Stellungnahmen seien im Gegensatz etwa zu den Einwendungen im Planfeststellungsverfahren nach § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG durch das Gesetz nicht vorgesehen. Aus ihrer Funktion folge aber, dass sie schriftlich fixiert sein müssen, damit sie verlässlich in die weiteren Überlegungen der planenden Behörde einfließen können. In welcher Weise sie der Gemeinde übermittelt werden, sei damit aber nicht festgelegt.

Demnach erweise sich der in diesem Verfahren strittige Zusatz als unschädlich. Auch durch die technische Entwicklung und dem Bedeutungszusatz der elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten sei die Formulierung „schriftlich oder zur Niederschrift“ nicht überholt. Sie stelle maßgeblich darauf ab, dass die Stellungnahmen textlich festgehalten und insoweit in eine Form gebracht werden müssen, durch die sie dauerhaft dokumentiert werden und mit der auf sie im Laufe des Verfahrens ohne Schwierigkeiten aktenkundig zurückgegriffen werden können. In welcher Weise die Stellungnahme verschriftlicht und übermittelt wird, beispielsweise als Brief, Telefax oder in etwa elektronischer Form als E-Mail, sei damit nicht einschränkend festgelegt.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung führt zu mehr Sicherheit für die Kommunen bezüglich der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen von Bebauungsplänen. Die Kommunen können bei der Aufforderung zu Stellungnahmen auch im Rahmen zukünftiger technischer Entwicklungen auf diesen Zusatz zurückgreifen, ohne sich der Gefahr von Verfahrensfehlern auszusetzen. Die Formulierung ist insoweit „zeitlos“.

Quelle: https://www.juris.de/perma?d=WBRE202100614

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Alexander Fritz

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