Bundestag beschließt EnWG-Novelle zur Übergangsregulierung von H2-Netzen

Der Deutsche Bundestag hat in der vorletzten Sitzung dieser Legislaturperiode, am 24. Juni 2021, mit den Stimmen der Regierungskoalition das Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht beschlossen. Mit dieser Novellierung des EnWG wurden die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau einer regulierten Wasserstoffinfrastruktur sowohl für Gasnetzbetreiber als auch für sonstige Marktteilnehmer. An entsprechenden Regelungen mangelte es bisher.

Inhaltlich blieben große Überraschungen aus. Der Bundestag ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 23. Juni 2021 gefolgt. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses hatte ihrerseits weitgehend die vom Bundesrat mit Stellungnahme vom 26. März 2021 geforderten Änderungen des Kabinettsentwurfs des Gesetzes übernommen.

Den zuvorderst der Klarstellung dienenden Anpassungswünschen des Bundesrats in Bezug auf § 43l EnWG ist der Bundestag weitgehend gefolgt. § 43l EnWG wird daher zukünftig die zentrale Norm des Energiewirtschaftsgesetzes für den Auf- und Ausbau von Wasserstoffnetzen sein. Dies betrifft den Bau reiner Wasserstoffleitungen, die Umstellung bestehender Gas- und Produktleitungen sowie Umbaumaßnahmen an Gas- und Produktleitungen, die der Vorbereitung auf einen Transport von Wasserstoff dienen.

Eine Absage erteilte der Bundestag allerdings der vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26. März 2021 artikulierten Forderung, die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für neue Wasserstoffleitungen mittels gutachterlicher Bedarfsprognosen zu erbringen. Der Bedarf für Wasserstoffleitungen muss daher, wie ursprünglich im Kabinettsentwurf des Gesetzes vorgesehen, für jedes einzelne Wasserstoffinfrastrukturvorhaben gemäß den Vorgaben in § 28p EnWG durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) bestätigt werden.

Vorläufig wird es auch bei dem gegenwärtigen Modell der Netzentwicklungsplanung Strom und Gas bleiben. Eine gesetzliche Grundlage für einen Netzentwicklungsplan Wasserstoff oder eine integrierte Gas- und Wasserstoffnetzentwicklungsplanung, wie dies vereinzelt von Marktteilnehmern gefordert wurde, wird es vorerst im Energiewirtschaftsgesetz nicht geben. Betreiber von Wasserstoffnetzen, die gegenüber der BNetzA gemäß § 28j EnWG angezeigt haben, dass ihre Wasserstoffnetze der Regulierung nach dem Energiewirtschaftsgesetz unterfallen sollen, müssen zukünftig allerdings gemäß § 28q EnWG gemeinsam mit den Fernleitungsnetzbetreibern einen Bericht zum aktuellen Ausbaustand des Wasserstoffnetzes und zur Entwicklung einer zukünftigen Netzplanung Wasserstoff ausarbeiten. Auf Grundlage dieses Berichts kann die BNetzA Empfehlungen für die rechtliche Implementierung eines verbindlichen Netzentwicklungsplans Wasserstoff abgeben. Die Erstellung dieses Berichts wird spannend zu beobachten sein. Denn neben den Fernleitungsnetzbetreibern werden an der Erstellung des Berichts mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wachsende Anzahl an Verteilernetzbetreibern mitwirken und damit in einem weit verstandenen Sinne am Prozess der Netzentwicklungsplanung teilhaben. Anders als bei Fernleitungs- und Verteilernetzen gibt es bei Wasserstoffnetzen keine vom Vorhandensein von Marktgebietsübergangspunkten oder Einspeisequellen abhängigen Differenzierungen. Es ist daher davon auszugehen, dass Verteilernetzbetreiber durch Umstellung bestehender Verteilernetze oder durch den Bau neuer Leitungen zu Wasserstoffnetzbetreibern werden.

Der Bundestag hat ferner eine vom Ausschuss für Wirtschaft und Energie vorgeschlagene Entschließung angenommen. In der Entschließung fordert der Bundestag die Bundesregierung auf,

a) für die Dauer der Übergangsregulierung konkrete Vorschläge für zusätzliche Förderinstrumente vorzulegen, welche die Förderung im Rahmen der IPCEI ergänzt und zusätzliche Anreize für Investitionen setzt;

b) zu prüfen, wie die Förderinstrumente für die Dauer der Übergangsregulierung mittels eines Absicherungsmechanismus (bspw. Ausfallbürgschaften oder dynamische Förderquote) ergänzt werden können, um zu verhindern, dass es bei Ausfall einzelner Großkunden des Wasserstoffstartnetzes durch die damit einhergehende Erhöhung der Wasserstoff-Netzentgelte für die verbliebenen Kunden zu einem kaskadenartigen Einbruch der Wirtschaftlichkeit kommt;

c) auf europäischer Ebene eine Änderung der Erdgasbinnenmarktrichtlinie, der Erdgasfernleitungsnetzzugangsverordnung und der Fernleitungsentgeltstrukturverordnung maßgeblich voranzutreiben, um eine gemeinsame Regulierung und Finanzierung des Wasserstoffnetzes und des Erdgasnetzes zu ermöglichen. Dabei ist zu prüfen, ob entsprechende Anpassungen bereits im Rahmen des derzeit in Entstehung befindlichen Gasbinnenmarktpaketes der EU-Kommission vorgenommen werden können und

d) einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine gemeinsame Regulierung und Finanzierung des Wasserstoffnetzes und des Erdgasnetzes herbeiführt, sobald dies europarechtlich möglich ist.

Grund für die Entschließung ist, dass die Umlage der Kosten für den Aufbau und den Betrieb reiner Wasserstoffnetze auf die Erdgas-Fernleitungsnetzentgelte derzeit aufgrund europarechtlicher Regelungen unzulässig ist. Namentlich stehen die Richtlinie (EG) 73/2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, die Verordnung (EG) 715/2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und die Verordnung (EU) 2017/460 zur Festlegung eines Netzkodex über harmonisierte Fernleitungsentgeltstrukturen (NC TAR) dem entgegen. Die mit dem Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht beschlossene Wasserstoffnetzregulierung ist ausschließlich als Startregulierung für den Übergang hin zu einer europarechtlich konformen gemeinsamen Regulierung und Finanzierung des Wasserstoff- und Erdgasnetzes zu verstehen. Das ist umso bedeutender, weil der Aufbau des Wasserstoffnetzes aus Sicht des Bundestages über die IPCEI-Projekte hinaus unabhängig von einer Förderung und Finanzierung durch den Bundeshaushalt erfolgen muss.

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Sebastian Hoppe, LL.M. (AMU)

Sebastian Hoppe, LL.M. (AMU)

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