Update zum Urteil des EuGH zur sog. „Kaskadenverweisung“: BGH reagiert mit Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18, frühzeitig auf das Urteil und gibt zu verstehen, dass die Entscheidung des EuGH für Immobiliarverbraucherdarlehen nicht einschlägig ist.

Der BGH hat die Entscheidung des EuGH zur sog. „Kaskadenverweisung“ nun kurzfristig aufgegriffen und jedenfalls für Immobiliarverbraucherdarlehen klargestellt, dass die im Urteil des EuGH zur Entscheidung herangezogene Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrer eigenen Fassung gemäß § Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge keine Anwendung findet und daher eine weitere Prüfung unter Heranziehung der Entscheidung des EuGH nicht geboten ist.

Vorbemerkung

Der EuGH hat bekanntlich mit Urteil vom 26.03.2020, Rs. C-66/19, entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 lit. p der Richtlinie 2008/48 (im Folgenden Richtlinie 2008/48 EG) einer Regelung in Widerrufsinformationen zu Verbraucherdarlehensverträgen dann entgegenstehe und auch dementsprechend auszulegen sei, wenn diese Regelung hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten und geforderten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats Bezug nehme (sog. „Kaskadenverweisung“). Damit stellt der EuGH auch gleichzeitig klar, dass der seit 30.07.2010 im deutschen Belehrungsmuster nach Anlage 6 EGBGB (ab 13.06.2014: Anlage 7 EGBGB) verankerte sog. „Kaskadenverweis“ den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 lit. p der Richtlinie 2008/48/EG) nicht gerecht wird.

Dieses Urteil haben Medien und Verbraucheranwälte intensiv aufgegriffen und sprechen plakativ vom neuen „Widerrufsjoker“ für sämtliche mit Widerrufsinformationen versehene Verbraucherverträge, gleich, ob Autokredite, Leasingverträge oder Immobiliardarlehen.

Der BGH hat nun mit Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18. diesem Widerrufswerben für Immobiliarverbraucherdarlehen den Wind aus den Segeln genommen.

Der BGH erachtet den Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie für Immobiliarverbraucherdarlehen nicht für eröffnet und sieht keinen Änderungsbedarf der deutschen Rechtsprechung in Ansehung des EuGH-Urteils

Da die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrer eigenen Fassung gemäß § Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge keine Anwendung findet und der deutsche Gesetzgeber die Verbraucherkreditrichtlinie nicht für Immobiliardarlehen als maßgeblich erachtete, liegt es nach Ansicht des BGH einzig und allein in der Verantwortung der nationalen, hier der deutschen, Gerichte, die nationalen vom deutschen Gesetzgeber erlassenen Vorschriften auszulegen. Der deutsche Gesetzgeber habe es lediglich für sachdienlich gehalten, die Vorschriften für den Verbraucherkredit und für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen zusammenzufassen. Das Urteil des EuGH könne sich daher nicht auf die Widerruflichkeit von Immobiliarverbraucherdarlehen auswirken.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben (sog. Kaskadenverweis) nach den Maßstäben des deutschen Rechts jedoch klar und verständlich (vgl. nur Senatsurteile vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, vom 04.07.2017, XI ZR 741/16 und zuletzt vom 19.03.2019, XI ZR 44/18). Einen Bedarf, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der BGH nicht.

Zusammenfassung und Ausblick

Zutreffend geht der BGH davon aus, dass der Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie und eine damit möglicherweise angezeigte richtlinienkonforme Auslegung für grundpfandrechtlich besicherte Darlehensverträge nicht eröffnet ist. Pikant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der EuGH in seinem Urteil zur Kaskadenverweisung die eigentlich fehlende Anwendbarkeit der Richtlinie für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen ebenfalls erkannt hat. Mit Verweis auf bereits ergangene ältere Rechtsprechung hat der EuGH aber zugleich mitgeteilt, dass er auch dann zur Entscheidung berufen sei, wenn nationales Recht zwar nicht unmittelbar von einem Unionsrechtsakt erfasst ist, sich aber nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen ausgerichtet hat. Nachdem der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften der Verbraucherkreditrichtlinie auch für Immobiliardarlehen umgesetzt bzw. zusammengefasst habe, ist der EuGH nach eigener Auffassung zur Entscheidung befugt. Dies sieht der BGH mit seinem oben genannten Beschluss jedenfalls für die Anwendung und Auslegung nationalen Rechts anders und verschafft für eine etwaige Widerruflichkeit von Immobiliardarlehen mit Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben (sog. Kaskadenverweis) vor nationalen Gerichten für die Zukunft Klarheit. Die Instanzgerichte werden sich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung an dieser Entscheidung des BGH orientieren.

Offen bleibt aber weiterhin – aber auch hier wird sich der BGH künftig sicherlich noch positionieren –, ob das EuGH-Urteil Auswirkungen auf andere mit Widerrufsinformationen versehene Verbraucherverträge haben wird, die mit dem „Kaskadenverweis“ ausgestaltet sind.

Wir hatten aber bereits in unseren letzten Newsletterbeiträgen erläutert, dass eine gerichtliche Entscheidung in Umsetzung des EuGH-Urteils und gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, welcher sein Verständnis von der Belehrung über den Fristbeginn in der Anlage 6 EGBGB a. F. mit Kaskadenverweisungen dargelegt hat, wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip unzulässig sein dürfte und der BGH mit aller Wahrscheinlichkeit auch bei anderen mit einer Widerrufsinformation versehenen Verbraucherverträgen an seiner älteren Senatsrechtsprechung festhalten wird.

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Paul H. Assies

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Dr. Maik Kirchner

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