BGH: Die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB finden auf einen Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag entsprechende Anwendung

Der XI. Zivilsenat stellte seiner ständigen Rechtsprechung folgend noch einmal mit Versäumnisurteil vom 21.09.2021 (XI ZR 650/20) heraus, dass der Schuldbeitritt zu einem Verbraucherdarlehensvertrag dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages bei wertender Betrachtung gleichzustellen ist, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handelt.

Sachverhalt

Die Ehefrau des Beklagten betrieb als Einzelunternehmerin eine Wäscherei. Der Beklagte war im Unternehmen angestellt und außerdem als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000,00 € am Unternehmen beteiligt. Im Februar 2012 übernahm der Beklagte die gesamtschuldnerische persönliche Mitverpflichtung für einen von der Klägerin mit seiner Ehefrau im Rahmen des Einzelunternehmens mit derselben Urkunde vereinbarten Kontokorrentkredit über einen Kreditnennbetrag von 80.000,00 €. Eine Widerrufsinformation erteilte die Klägerin dem Beklagten nicht.

Mit der Begründung, nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden zu sein, erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Widerruf seiner auf Abschluss der Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung.

Entscheidungsgründe

Der BGH stellte in der oben bezeichneten Entscheidung klar, dass auf einen Schuldbeitritt die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB über Verbraucherdarlehensverträge entsprechend Anwendung finden. Der Schuldbeitritt sei zwar seinem Wesen nach kein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung, weil der Beitretende selbst keinen Darlehensvertrag abschließe, sondern lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernehme. Der Mithaftende sei aber nach der ständigen Rechtsprechung des BGH einem Verbraucherdarlehensvertrag bei wertender Betrachtung gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handele. Dies gelte auch dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen habe. Entscheidend sei allein die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden zum Zeitpunkt der Mithaftungserklärung. Nach diesem Verständnis sei der Beklagte Verbraucher, weil seine stille Beteiligung an dem Unternehmen seiner Ehefrau zur privaten Vermögensverwaltung gehöre und er damit selbst keine unternehmerische Tätigkeit ausübe.

Gleichwohl habe dem Beklagten im gegenständlichen Verfahren entsprechend § 495 Abs. 3 Nr. 3 BGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung i. V. m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung kein Widerrufsrecht zugestanden.

Diese Vorschriften schlössen ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB für solche Darlehensverträge aus, bei denen dem Darlehensnehmer (hier der Ehefrau des Beklagten) in bestimmter Höhe eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt werde und die Laufzeit nach der Auszahlung höchstens drei Monate betrage oder der Darlehensgeber ohne Einhaltung einer Frist kündigen könne. Diese Voraussetzungen seien bei dem von der Ehefrau des Beklagten abgeschlossenen Kontokorrentkreditvertrag nicht einschlägig gewesen, so dass für sie – unabhängig von ihrer (fehlenden) Verbrauchereigenschaft – kein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB bestanden habe und auch dem Beklagten für den Fall, dass er selbst Darlehensnehmer gewesen wäre, ein solches nicht zugestanden hätte.

Ein Mehr an Verbraucherschutz widerspräche nach Auffassung des BGH den Wertungen des Gesetzgebers und sei auch mit dem Prinzip der Rechtssicherheit schwer zu vereinbaren, wenn bei dem Hauptvertrag ein Widerrufsrecht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausgeschlossen ist, für den gesetzlich nicht geregelten Schuldbeitritt, der die Hauptschuld lediglich sichern soll, durch eine Nichtanwendung dieser Vorschrift aber geschaffen würde.

Fazit

Der BGH stellt klar, dass bei dem Schuldbeitritt eines Verbrauchers ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nicht besteht, wenn das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers in dem besonderen Fall des § 495 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB (a. F.) selbst ausgeschlossen ist. Ist der Darlehensnehmer hingegen Unternehmer und nur aus diesen Gründen nicht über ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zu unterrichten, muss der schuldbeitretende Verbraucher jedoch eigenständig über sein Widerrufsrecht informiert werden. Dies haben die darlehensgebenden Institute stets im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.

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Dr. Maik Kirchner

Dr. Maik Kirchner

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