Querulantenwahn im Datenschutzrecht

Das VG Düsseldorf hatte mit Urteil vom 27.02.2023 (19 K 140/23) über die Prozessunfähigkeit eines Klägers zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger hatte datenschutzrechtliche Informations- und Auskunftsansprüche gegen das VG Düsseldorf und den Landtag des Landes NRW geltend gemacht, die jeweils von den Präsidenten der beiden Institutionen schriftlich beantwortet wurden. Gegen diese Schreiben richtete sich die Klage, mit denen der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgte. Er machte u. a. geltend, die Beklagten würden „anscheinend“ Daten unter Inanspruchnahme des Zentralen IT-Dienstleisters der Justiz des Landes NRW weiterverarbeiten, obwohl er dem widersprochen habe. Das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) sei zudem datenschutzrechtlich unzulässig. „Jedenfalls in Hessen“ würden Daten unverschlüsselt übermittelt.

Zu dem Verfahren wurden insgesamt acht weitere Gerichtsakten zu ähnlichen Verfahren des Klägers herbeigezogen.

Entscheidung des VG Düsseldorf

Das VG Düsseldorf weist die Klage als unzulässig ab.

Die Klage sei bereits wegen fehlender Prozessfähigkeit des Klägers unzulässig. Die Prozessunfähigkeit könne auch auf einen bestimmten Lebensbereich oder Streitkomplex begrenzt sein. Eine häufige Ursache dafür sei Querulanz in einem bestimmten Lebensbereich. Bei der Feststellung der partiellen Geschäftsfähigkeit sei allerdings besondere Vorsicht geboten, zumal die Grenze zwischen rechthaberischer Verbohrtheit und krankhafter Querulanz fließend sei. Ausnahmsweise könne die Feststellung der Prozessunfähigkeit auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen durch das Gericht erfolgen, wenn eindeutige Symptome vorlägen, die auch einem medizinisch nicht vorgebildeten Laien zweifelsfreie Schlüsse gestatten.

Diese Voraussetzungen sah das VG Düsseldorf gegeben.

Der Kläger hatte seit Jahren zahlreiche Eingaben an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI) gerichtet (2017: 8, 2018: 16, 2019: 33, 2020: 21). Darüber hinaus hatte er offenbar weitere Eingaben unter Pseudonymen eingereicht. Auch der Schriftverkehr und die Anzahl der Telefonanrufe des Klägers innerhalb der einzelnen Verfahren hatte nach den Feststellungen des Gerichts ein derartiges Ausmaß angenommen, dass die LDI an die Grenzen ihrer Arbeitsfähigkeit gelangt sei.

Alles in allem habe der Kläger – ohne Berücksichtigung der wohl unter Pseudonymen getätigten Eingaben – binnen fünf Jahren etwa 133 behördliche sowie gerichtliche Verfahren angestrengt. Nach eigenem Bekunden führe er „dutzende Verfahren nach dem Datenschutzrecht vor diversen Gerichten und Gerichtsbarkeiten mit teilweise mehreren Notfristen pro Woche“.

Im Ergebnis schließt das Gericht aus der immensen Anzahl an in der Regel völlig aussichtslosen Verfahren, der Beratungsresistenz des Klägers und seiner Unfähigkeit, aus erfolglosen Verfahren Konsequenzen für seine Verfahrensführung zu ziehen, auf fehlende Einsichtsfähigkeit und Einschränkungen bei der freien Willensbildung. Aus der Art und Weise der Prozessführung folgert die Kammer, der Kläger verfolge kein sachliches Interesse, sondern ihm gehe es um die Auseinandersetzung an sich. Dies zeige sich daran, dass der Kläger in gerichtlichen Verfahren fortwährend Nebenstreitigkeiten unterschiedlichster Art eröffne, die von vornherein offensichtlich haltlos, dafür aber geeignet seien, den jeweiligen Rechtsstreit unnütz aufzublähen, gerichtliche Kapazitäten ohne Not zu binden und das Geschehen auf eine nicht erforderliche Konfrontationsebene zu verlagern.

Der Kläger verfüge auch nicht mehr über die Fähigkeit, eine vernünftige Prozessprognose abzugeben. Trotz zahlreicher negativ für ihn abgeschlossener Entscheidungen wende er sich fortlaufend mit ganz ähnlichen Rechtsschutzbegehren an das Gericht. Auch innerhalb der jeweiligen Verfahren greife er immer wieder außerordentliche Rechtsmittel auf, über die das Gericht gerade erst entschieden habe. Dies zeige, dass der Kläger außerstande sei, kritisch abzuwägen und entsprechend einer vernünftigen Erfolgsprognose zu handeln.

Der Kläger sei allein auf Protest und Gegnerschaft eingestellt und habe teilweise den Bezug zur Realität verloren. So hatte der Kläger der Datenschutzaufsicht des Landes u. a. „demonstrative Arbeitsunwilligkeit“ unterstellt, sie als „arbeitsfaul“ und „nutzlos“, „sachverstandslos“, „verlogen“ sowie „unionsrechts- und fristignorant“ tituliert. Die Mitglieder der Kammer bezeichnete der Kläger u. a. als „absolute“ bzw. „schamlose Selbstrichter“, „Schnellrichter“, „Ausnahmerichter“ und „Schreibtischtäter“.

In weiteren Äußerungen des Klägers über die LDI (z. B. „schädigungsorientert“) und die Mitglieder der Kammer sah das Gericht paranoide Elemente.

Die Schriftsätze des Klägers enthielten nach den Feststellungen der Kammer neben den seine Gegnerschaft unterstreichenden Elementen verworrenen Vortrag, was die Kammer als weiteres Phänomen für einen zumindest partiell ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit beurteilt.

Ursache all dessen sei zur vollen Überzeugung der Kammer eine krankhafte Störung von solchem Gewicht und von solcher Dauerhaftigkeit, dass sie eine partielle Prozessunfähigkeit zur Folge habe.

Praxishinweis

Als Sachentscheidungs- und Prozesshandlungsvoraussetzung muss das Gericht die Prozessfähigkeit in jeder Verfahrenslage von Amts wegen prüfen. Wie die Ausführungen des Gerichts zeigen, unterliegt die Feststellung der Prozessunfähigkeit wegen krankhaften Querulantenwahns aufgrund der damit verbundenen Rechtsfolgen strengen Anforderungen. Vorliegend konnte das VG Düsseldorf eindeutige Symptome feststellen, die auch einem medizinisch nicht vorgebildeten Laien zweifelsfrei den Schluss auf eine krankhafte Störung zuließen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war deshalb entbehrlich.

Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 27.02.2023 – 29 K 140/23, ECLI:DE:VGD:2023:0227.29KAMMER.00

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Niklas Kinting

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