OLG Karlsruhe zur Vollstreckung des Rückrufanspruchs

Mit der Entscheidung „Aluminiumboden“ vom 18.07.2023 (Az. 6 W 30/23) hat sich das OLG Karlsruhe mit einer Vielzahl von höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen zum Rückrufanspruch nach § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PatG auseinandergesetzt.

Hintergrund der Entscheidung war eine festgestellte Patentverletzung durch Anbieten und Vertreiben von patentverletzenden Aluminiumdielen als Bodenbelag. Unter anderem wurde die Vollstreckungsschuldnerin zum Rückruf verurteilt, wobei sich die Verurteilung darauf bezog, Aluminiumdielen zur Herstellung einer Abdeckvorrichtung „zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen“. Durch die „oder“-Verknüpfung im Antrag des Vollstreckungsgläubigers konnte das Gericht nicht einen Rückruf und ein Entfernen aus den Vertriebswegen ausurteilen. Im Zwangsvollstreckungsverfahren wendeten die Vollstreckungsschuldner ein, dass ein Rückruf unmöglich sei. Die Produkte seien bereits beim Endverbraucher verbaut und damit Eigentum der Endverbraucher geworden.

Das OLG Karlsruhe kommt zu dem Ergebnis, dass der Rückruf nicht als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO, sondern als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO durchzuführen sei und daher über Zwangsmittel durchgesetzt werden könne. Es liege eine unvertretbare Handlung vor, weil eine durch den Schuldner selbst ausgesprochene Aufforderung zum Rückruf einen „wesentlicheren Anreiz“ entfalte. Im Übrigen scheide eine Vornahme des Rückrufs durch Dritte insbesondere aus, wenn der Gläubiger – wie regelmäßig – keine oder zumindest weniger umfassende oder gesicherte Kenntnis von den Abnehmern des Schuldners hat.

Weiter stellt das OLG Karlsruhe klar, dass der Einwand der Unmöglichkeit bezüglich des Rückrufs nicht eingreife. Eine Unmöglichkeit ergebe sich nicht schon aus dem Hinweis, dass sämtliche patentverletzenden Aluminiumdielen bei Endabnehmern eingebaut und somit nicht mehr in den Vertriebswegen seien. Gegenstand des Rückrufs gemäß § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PatG sei es, Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zu erfassen. Die Pflicht zum Rückruf setze damit weder voraus, dass der Schuldner Verfügungsgewalt über die vom Rückruf betroffenen Gegenstände hat, noch, dass das Erzeugnis keinen Abnehmer erreicht hat. In den Vertriebswegen sei der verletzende Gegenstand, der sich bei keinem privaten Endverbraucher befindet, vielmehr auch bei einem Gewerbetreibenden, der kein Händler ist, sondern den Gegenstand etwa selbst als Endabnehmer nutzt, beispielsweise zu Zwecken der Produktion. Denn auch hier sei es denkbar, dass die Sache später gebraucht unter Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers im Rahmen gewerblicher Handlungen veräußert wird. Insofern reiche die hinreichende Möglichkeit des weiteren Vertriebs aus. Zwar sei es bei den eingebauten Aluminiumdielen unwahrscheinlich, dass diese „ausgebaut“ würden. Allerdings liege eine Patentverletzung auch dann vor, wenn die Immobilie, in der die verletzenden Aluminiumdielen als Bodenbelag verbaut wurden, gewerblich weiterveräußert werden könne. Unmöglichkeit läge auch nicht vor, als es noch Möglichkeiten für einen Rückbau oder eine Herausgabe der Produkte durch die Endabnehmer gab.

Zusätzlich konnte das OLG Karlsruhe die Frage einer Unverhältnismäßigkeit oder Unzumutbarkeit des „Rückbaus“ offenlassen, da die Vollstreckungsschuldner nicht dargelegt haben, dass ihnen die Kosten für den Rückruf unzumutbar seien.

Die Entscheidung entspricht der in der Rechtsprechung und der Literatur herrschenden Ansicht und begründet ausführlich, warum der Rückruf als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO eingeordnet werden muss. Darüber hinaus knüpft das OLG Karlsruhe hohe Anforderungen an den Einwand der Unmöglichkeit eines Rückrufs. Die diesbezüglichen Anforderungen sind umfassend vor Gericht darzulegen. Das OLG Karlsruhe hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, sodass abzuwarten ist, wie der BGH die Voraussetzungen für den Rückrufanspruch beurteilt.

Amtliche Leitsätze des OLG Karlsruhe:

  1. Der Rückruf im Sinne von § 140a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 PatG ist im Allgemeinen als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
  2. In den Vertriebswegen ist der schutzrechtsverletzende Gegenstand, der sich bei keinem privaten Endverbraucher befindet, auch bei einem Gewerbetreibenden, der kein Händler ist, sondern den Gegenstand selbst als Endabnehmer nutzt.
  3. Eine für den Rückrufanspruch hinreichende Möglichkeit weiteren Vertriebs kann sich daraus ergeben, dass es nach den Umständen denkbar ist, dass ein durch den gewerblichen Abnehmer mit dem schutzrechtsverletzenden Erzeugnis versehener Gegenstand durch diesen veräußert wird (wie hier eine Immobilie, in der verletzende Aluminiumdielen als Bodenbelag verbaut wurden).

Quelle: OLG Karlsruhe v. 18.07.2023 – Az. 6 W 30/23 – Aluminiumboden

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Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

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