LG Berlin – G.-Trust-Siegel

Mit Beschluss vom 27.09.2023 (15 O 464/23) hat sich das LG Berlin zur Schutzfähigkeit von Zertifikatssiegeln geäußert.

Sachverhalt

Der Beschluss ist in einem Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangen.

Die Antragstellerin betreibt eine Agentur für Empfehlungsmarketing und bietet Unternehmen an, sich um die Aufnahme in einen von der Antragstellerin geführten Firmenindex zu bewerben. Bewirbt sich ein Unternehmen, prüft die Antragstellerin, ob das betreffende Unternehmen nach Maßgabe ihrer Richtlinien zur Erteilung eines G.-Trust-Siegels berechtigt ist. Wird die Siegelberechtigung festgestellt, übersendet die Antragstellerin einen sog. „Reputationsvertrag“ nebst Urkunde.

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin nach vorangegangener Abmahnung auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung des Zertifizierungssiegels und der Urkunde im Internet in Anspruch. Hintergrund war die Feststellung der Antragstellerin, dass auf dem gewerblichen Instagram-Account der Antragsgegnerin, einer Wimpernstylistin, zeitweise die Zertifizierungsurkunde mit dem Zertifizierungssiegel der Antragstellerin sichtbar war, obwohl die Antragsgegnerin das Angebot zum Abschluss des entgeltlichen „Reputationsvertrages“ nicht angenommen hatte.

Entscheidung des LG Berlin

Das LG Berlin hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

Nach Auffassung des LG Berlin stand der Antragstellerin ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch zu.

Bei der Prüfung der urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen nimmt das Gericht Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst: „Das Siegel und die Urkunde sind jeweils persönliche geistige Schöpfungen, die die Schutzhöhe des § 2 UrhG erreichen. Die designte Gestaltung beider Grafiken erreicht die erforderliche Schöpfungshöhe jedenfalls im Sinne der sogenannten ‘kleinen Münze‘. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist bei Gestaltungen, welche auch Schutz nach dem Designgesetz beanspruchen können, keine gesteigerte Gestaltungshöhe mehr zu fordern (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 143/12 – Geburtstagszug, Rn 26 ff.; Schulze, in: Dreier/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 2 Rn. 160)“ (Rn. 5, Hervorhebung nur hier).

Die Antragsgegnerin habe in die ausschließlichen Verwertungsrechte der Antragstellerin eingegriffen oder dies ermöglicht, indem sie das Siegel und die Urkunde eigenmächtig im Internet abrufbar gemacht oder abrufbar machen gelassen habe.

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin sei nicht feststellbar. Weder sei vorgetragen worden noch in sonstiger Weise ersichtlich, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerin durch irreführende Angaben zu wirtschaftlich relevanten Dispositionen veranlasst habe.

Praxishinweis

Bei der Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit wendet das LG Berlin die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst an, wonach grundsätzlich nur eine geringe Gestaltungshöhe zu fordern ist. Logos und Siegel können damit auch dann bereits die Anforderungen an die erforderliche Schöpfungshöhe erfüllen, wenn sie nur ein geringes Maß an individueller, schöpferischer und gestalterischer Ausdruckskraft aufweisen.

Quelle: LG Berlin, Beschluss v. 27.09.2023 – 15 O 464/23 (ECLI:DE:LGBE:2023:0927.15O464.23.00)

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Niklas Kinting

Niklas Kinting

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