EuG – Hohe Aufmerksamkeit des Verkehrs bei Finanzdienstleistungen

Kürzlich entschied das EuG in einem Urteil vom 12.07.2023 – T-261/22 –, dass angesichts der finanziellen Bedeutung von Finanzdienstleistungen der Klasse 36 für das Vermögen die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit und der Fachkreise für derartige Dienstleistungen hoch sei.

Sachverhalt

Mit Entscheidung vom 16. Juli 2020 gab die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO einem Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Wort-/Bildmarke „EMBANK European Merchant Bank“, eingetragen für „Finanz- und Währungsdienstleistungen und Bankwesen; Tresordienstleistungen; Wertermittlungsdienstleistungen“ in der Klasse 36 statt.

Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit basierte auf der älteren europäischen Wort-/Bildmarke „mBank“ sowie der polnischen Wortmarke „mBank“, die jeweils u. a. Schutz für „Finanzdienstleistungen, Bankeinlagen, finanzielle Bewertungsdienstleistungen“ in der Klasse 36 beanspruchen.

Die Inhaberin der jüngeren Marke „EMBANK European Merchant Bank“ erhob gegen die vorgenannte Entscheidung Beschwerde. Die zuständige Beschwerdekammer des EUIPO gab der Beschwerde statt und wies den Antrag auf Nichtigerklärung in vollem Umfang zurück.

Anschließend klagte die Inhaberin der älteren polnischen Wortmarke „mBank“ sowie der europäischen Wort-/Bildmarke „mBank“ gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer vor dem EuG.

Entscheidung des EuG

Das EuG schloss sich der Entscheidung der Beschwerdekammer an und wies die Klage ab, da keine Verwechslungsgefahr gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b UMV bestehe.

Die Beschwerdekammer sei zutreffend davon ausgegangen, dass sich etwaige Dienstleistungen sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an Fachleute richten und der Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise hoch ist. Im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klasse 36 sei ein hoher Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums und der breiten Öffentlichkeit anzunehmen, da sich Finanzdienstleistungen unmittelbar auf das wirtschaftliche und finanzielle Vermögen der Verbraucher auswirken könnten, im Allgemeinen mit erheblichen Geldbeträgen verbunden seien und erhebliche finanzielle Auswirkungen haben könnten.

In diesem Zusammenhang führt das EuG aus, dass zwischen der Auswahl von Bankprodukten und -dienstleistungen, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit seitens der Verbraucher erfordern, und den alltäglichen Bankgeschäften sowie der alltäglichen Nutzung von Bankprodukten zu unterscheiden sei.

Im vorliegenden Fall war die Identität der streitgegenständlichen Dienstleistungen zwischen den Parteien unstreitig.

In Bezug auf die Ähnlichkeit der Zeichen ist das EuG der Ansicht, dass das Bildelement der angefochtenen jüngeren Marke fantasievoll sei und hinsichtlich der erfassten Dienstleistungen kein Bedeutungszusammenhang bestehe. Außerdem werde der Wortbestandteil „EMBANK“ als Abkürzung des Ausdrucks „European Merchant Bank“ wahrgenommen. Der Wortbestandteil bestehe aus den Buchstaben „E“ und „M“, die jeweils die Anfangsbuchstaben der Wörter „European“ und „Merchant“ sind. Während das Wort „European“ die Herkunft der Dienstleistungen oder den Ort, an dem sie angeboten werden, beschreibe, sei das Wort „Bank“ beschreibend für die beanspruchten Dienstleistungen und folglich nicht unterscheidungskräftig.

Die Beschwerdekammer habe, insbesondere unter Berücksichtigung des beschreibenden Wortes „Bank“ und in Anbetracht der fehlenden Bedeutung des Bildbestandteils der angefochtenen Marke, in Bezug auf die Dienstleistungen zu Recht festgestellt, dass das Bildelement am unterscheidungskräftigsten und entsprechend mitprägend bzw. kodominierend sei.

Die ältere polnische Wortmarke werde so wahrgenommen, dass sie aus dem Wort „Bank“ mit dem vorangestellten Buchstaben „M“ bestehe.

In der angefochtenen Entscheidung war die Beschwerdekammer von einem geringen Grad an visueller Ähnlichkeit, einem hohen Grad an klanglicher Ähnlichkeit und einem sehr geringen Grad an begrifflicher Ähnlichkeit ausgegangen. Darüber hinaus seien die maßgeblichen Verkehrskreise mit einem hohen Aufmerksamkeitsgrad eher in der Lage, die Unterschiede zwischen den streitigen Zeichen zu erkennen. Maßgeblich für die Entscheidung war im Übrigen die Ansicht, dass im Hinblick auf die in Rede stehenden Dienstleistungen der visuelle Aspekt von größerer Bedeutung sei. Entsprechend verneinte die Beschwerdekammer insgesamt das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr.

Das EuG führt in diesem Kontext aus, dass der klangliche Aspekt zwar nicht unerheblich sei, da einige Finanzdienstleistungen mündlich, insbesondere per Telefon, angeboten werden. Seitens der Rechtsprechung sei allerdings bereits entschieden, dass bei Finanzdienstleistungen der Klasse 36 der visuelle Aspekt überwiege (EuG, Urteil vom 13.07.2012, la Caixa, T-255/09 Rn. 79, nicht veröffentlicht).

Wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ein Finanzinstitut für seine Dienstleistungen und die dazugehörigen Waren auswählen, nähmen sie die Zeichen auf Geschäftsschildern, Papieren und Prospekten wahr. In einem solchen Fall sei der visuelle Aspekt und damit auch die Wahrnehmung von grafischen Elementen zusätzlich zu den Wortelementen wichtiger als der klangliche Aspekt. Denn ein Vertrag mit einer Bank werde schriftlich abgeschlossen und nicht etwa mündlich.

Im Ergebnis habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Beschwerdekammer bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr dem visuellen Aspekt der fraglichen Zeichen zu Unrecht mehr Gewicht beigemessen habe. Insgesamt sei es der Klägerin nicht gelungen darzulegen, dass die Ablehnung der Verwechslungsgefahr gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b UMV durch die Beschwerdekammer fehlerhaft gewesen sei.

Fazit

In seiner Entscheidung legt das EuG dar, dass der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit unterschiedliche Bedeutung im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zukommen kann. Maßgeblich ist letztlich, wie die jeweiligen relevanten Verkehrskreise die konkreten Dienstleistungen überwiegend wahrnehmen. Mithin sind die objektiven Umstände zu untersuchen, unter denen sich die Marken auf dem Markt gegenüberstehen können (EuG, Urteil vom 06.10.2004, T-117/03 bis T-119/03 und T-171/03 Rn. 49).

Im Hinblick auf Finanzdienstleistungen nimmt der Verkehr ein Zeichen in den meisten Fällen visuell wahr und entsprechend höheres Gewicht kommt der bildlichen Ähnlichkeit bei der Beurteilung insgesamt zu.

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Steffen Weinberg, LL.M.

Steffen Weinberg, LL.M.

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