Einheitliches Patentgericht äußert sich zur Prüfung der Gültigkeit des Verfügungspatents bei Anordnung einstweiliger Maßnahmen

Die Münchener Lokalkammer des Einheitlichen Patentgerichts hat erstmals zu den Anforderungen an den Rechtsbestand von Verfügungspatenten im einstweiligen Rechtsschutz konkret Stellung genommen (EPG, Lokalkammer München, Entscheidung und Anordnungen v. 19.09.2023, Az. UPC CFI 2/2023).

Die Lokalkammer München geht in ihrer Entscheidung davon aus, dass das Gericht den Rechtsbestand des Verfügungspatents prüfen und sich dabei mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen können muss, dass das Verfügungspatent gültig ist (vgl. Art. 62 Abs. 4 EPGÜ, Regel 211 Abs. 2 VerfO). Dabei werde weder im EPGÜ (Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht) noch in der VerfO (Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts) näher konkretisiert, welcher Grad an Überzeugung erforderlich ist, wenn diese mit Blick auf die Gültigkeit des Streitpatents „ausreichend sicher“ sein soll. In Betracht komme insofern grundsätzlich jeder Wahrscheinlichkeitsgrad.

Das richtige Verständnis des Terminus der „ausreichenden Sicherheit“ habe vom konkreten Zweck der Überzeugungsbildung auszugehen. Dabei sei im Falle von Art. 62 Abs. 4 EPGÜ und Regel 211 Nr. 2 VerfO insbesondere zu berücksichtigen, dass es um die Anordnung nach Regel 213 VerfO zeitlich befristeter einstweiliger Maßnahmen in einem summarischen Verfahren (Regel 205 VerfO), nicht also um endgültige Verfügungen im Sinne des Art. 63 EPGÜ, gehe. Mit Blick auf die Einstweiligkeit der Maßnahmen und die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten eines summarischen Verfahrens im Verhältnis zu einem Hauptsacheverfahren ergebe sich, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab herabgesetzt sein müsse. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit werde man daher nicht verlangen können. Letztlich sei für eine ausreichend sichere Überzeugung der Gültigkeit des Patentes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig, aber auch ausreichend. Es müsse für eine ausreichend sichere Überzeugung des Gerichts also wahrscheinlicher sein, dass das Patent Bestand hat, als dass es nicht Bestand hat.

Amtliche Leitsätze des EPG (Lokalkammer München)

  1. Für eine ausreichend sichere Überzeugung des Gerichts von der Gültigkeit eines Patentes ist im Rahmen einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen nach Art. 62 EPGÜ eine überwiegende Wahrscheinlichkeit notwendig, aber auch ausreichend.
  2. Im Falle eines Einheitspatentes ist zur Feststellung eines möglicherweise unangemessenen Zuwartens bei der Beantragung einstweiliger Maßnahmen nach Art. 62 EPGÜ zunächst zu fragen, seit wann der Antragsteller Kenntnis von der (drohenden) Patentverletzung hat; ausgehend davon ist der Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem die Beantragung einstweiliger Maßnahmen vor dem EPG möglich war.
  3. Die Durchsetzung eines Europäischen Patentes ohne einheitliche Wirkung hat in allen betroffenen Mitgliedsstaaten gesondert zu erfolgen und ist deshalb im Verletzungsfall gegenüber der Durchsetzung eines Einheitspatentes vor dem EPG kein gleichwertiges Mittel der Rechtsdurchsetzung.

(EPG, Lokalkammer München, Entscheidung und Anordnungen v. 19.09.2023, Az. UPC CFI 2/2023)

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Franziska Anneken

Franziska Anneken

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