BPatG zur patentrechtlichen Bestimmung der objektiven Aufgabe bei medizinischen Indikationen

Das Bundespatentgericht hat sich zur patentrechtlichen Bestimmung der objektiven technischen Aufgabe bei einem Patent geäußert, das nur eine medizinische Indikation, also die Verwendung eines vorbekannten Stoffes für eine bislang mit ihm nicht bekannte Therapiemöglichkeit, zum Gegenstand hat (BPatG, Urteil vom 04.05.2023, Az. 3 Ni 2/21 - Mittel zur Behandlung einer überaktiven Blase).

Eine Erfindung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Im Interesse einer objektiven und nachvollziehbaren Beurteilung, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, wird zunächst der nächstliegende Stand der Technik ermittelt, sodann die zu lösende technische Aufgabe bestimmt und schließlich geprüft, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der technischen Aufgabe für den Fachmann naheliegend gewesen wäre. Die technische Aufgabe ist objektiv, d. h. frei von den subjektiven Vorstellungen des Erfinders zu bestimmen; maßgeblich ist hierfür, was das Patent gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet.

Im Streitfall hatte die Beklagte die Auffassung vertreten, die objektive Aufgabe des Streitpatents, das die Verwendung des unter dem internationalen Freinamen (INN) „Mirabegron“ bekannten Wirkstoffs (R)-2-(2-Aminothiazol-4-yl)-4’-[2-[(2-hydroxy-2-phenylethyl) ami-no]ethyl]essigsäureanilid oder eines Salzes davon zur Behandlung einer überaktiven Blase betrifft, bestehe darin, zur Behandlung der überaktiven Blase  einen neuen Wirkstoff zu finden.

Dieser Auffassung stehen nach Ansicht des Nichtigkeitssenats des Bundespatentgerichts jedoch rechtliche und sachliche Gründe entgegen. Bei der medizinischen Indikation nach Art. 54 Abs. 4 oder 5 EPÜ liege in den Fällen, in denen ein bereits bekannter und damit für sich genommen nicht neuer Wirkstoff für eine mit ihm bislang nicht durchgeführte Therapie einer Erkrankung verwendet werden soll, die tatsächliche Leistung der hierauf gerichteten Erfindung allein in dieser neuen, bislang nicht bekannten Behandlungsmöglichkeit mit dem vorbekannten Wirkstoff. Daher sei in diesem Fall patentrechtlich die Aufgabe darin zu sehen, für diesen bekannten Wirkstoff eine neue therapeutische Anwendung zu finden. 

Der 3. Senat stellt in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf seine Entscheidung „Ubichinon“ (Urteil vom 12.05.2020, Az. 3 Ni 34/17) erneut klar, dass es patentrechtlich keine Rolle spiele, ob die tatsächliche technische Entwicklung nicht von dem vorbekannten Wirkstoff ausgehe, sondern ihr stattdessen möglicherweise die Suche nach einer neuen Therapiemöglichkeit für eine bestimmte Krankheit zugrunde gelegen habe, die zum Auffinden des bekannten Wirkstoffs als Lösungsmittel führte.

BPatG, Urteil v. 04.05.2023, Az. 3 Ni 2/21 – Mittel zur Behandlung einer überaktiven Blase

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Franziska Anneken

Franziska Anneken

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