BGH zur Kostentragungspflicht nach § 93 ZPO im Nichtigkeitsverfahren

In der Entscheidung „Anzeigemonitor“ (v. 27.06.2023 – X ZR 59/21) hat der BGH seine Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht nach § 93 ZPO fortgeführt, der in Patentnichtigkeitsverfahren aus Billigkeitsgründen nach § 84 Abs. 2 PatG entsprechend anwendbar ist, wenn der Beklagte dem Nichtigkeitskläger in vergleichbarer Weise einen Erfolg des Klagebegehrens sichert und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Schutzrechts sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent weiterhin verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Berufung gegen die Nichtigerklärung des Streitpatents nicht begründet ist, da der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist.

In Bezug auf die zu treffende Kostenentscheidung betont der BGH, dass nach seiner Rechtsprechung die Anwendung von § 93 ZPO in einem Patentnichtigkeitsverfahren insbesondere in Betracht komme, wenn der Beklagte, der keine Veranlassung zur Klage gegeben hat, das Schutzrecht nur in eingeschränkter Fassung verteidigt und auf den darüber hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet (BGH, GRUR 1984, 272, 276 – Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung; BGH, GRUR 2013, 1282 – Druckdatenübertragungsverfahren).

Die Beklagte habe nicht nur das Streitpatent in eingeschränkter Fassung verteidigt – was für sich gesehen nicht ausreichen würde (BGH v. 20.11.2018, X ZR 17/17, Rn. 32) –, sondern ergänzend erklärt, auf den darüber hinausgehenden Schutz mit Wirkung für die Vergangenheit zu verzichten. An diese Verzichtserklärung wäre und sei sie gebunden. Dass die Beklagte den Verzicht nur für die Vergangenheit erklärt hat, sei unschädlich, weil das Streitpatent im Zeitpunkt der Erklärung bereits erloschen war und die Beklagte dies ausdrücklich als Grund für die Beschränkung der Erklärung auf die Vergangenheit angegeben hat.

Weiter führt der BGH aus, dass die Beklagte keine Veranlassung zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegeben habe, soweit sie das Streitpatent nicht verteidigt hat.

Ein Patentinhaber gebe Anlass zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage, wenn er dem potenziellen Nichtigkeitskläger trotz Aufforderung nicht schon vor Klageerhebung eine Rechtsstellung verschafft, die mit derjenigen nach der Nichtigerklärung des Patents vergleichbar ist (BGH, GRUR 2013, 1282 – Druckdatenübertragungsverfahren). Eine solche Aufforderung fehle im Streitfall.

Zutreffend habe das Patentgericht im Ansatz angenommen, dass eine vorherige Aufforderung entbehrlich sein kann, wenn aufgrund besonderer Umstände davon auszugehen ist, dass der Patentinhaber auf das Ansinnen nicht eingehen wird.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts gäben die der Nichtigkeitsklage vorausgegangenen Lizenzverhandlungen indes keinen Grund zu einer diesbezüglichen Annahme. Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin und der vorgelegten Korrespondenz sei zu entnehmen, dass die Beklagte Einwendungen der Klägerin zum Anlass genommen hat, ihre unveränderte Lizenzforderung auf eine andere Begründung zu stützen. Hieraus und aus dem von der Beklagten erteilten Hinweis auf die hohen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung möge zu entnehmen gewesen sein, dass die Beklagte einem Rechtsstreit nicht aus dem Weg gehen wird.

Dies gäbe – so der BGH – jedoch noch keinen hinreichenden Anlass für die Annahme, die Beklagte werde das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigen. Aus der Schilderung der Klägerin und der vorgelegten Korrespondenz gehe hervor, dass sich die Beklagte in jenem Stadium mit rechtlichen Detailfragen noch nicht befasst hatte. Dies ließe es als nicht ausgeschlossen erscheinen, dass sie auf eine konkrete Aufforderung hin die Verteidigung des Streitpatents zumindest einschränken würde.

Amtliche Leitsätze des BGH

Ein Patentinhaber gibt Anlass zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage, wenn er dem potenziellen Nichtigkeitskläger trotz Aufforderung nicht schon vor Klageerhebung eine Rechtsstellung verschafft, die mit derjenigen nach der Nichtigerklärung des Patents vergleichbar ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 13. August 2013 – X ZR 73/12, GRUR 2013, 1282 Rn. 50 – Druckdatenübertragungsverfahren).

Eine vorherige Aufforderung seitens des Nichtigkeitsklägers ist nicht schon deshalb entbehrlich, weil der Patentinhaber im Rahmen von Lizenzverhandlungen hat erkennen lassen, dass er einem Rechtsstreit nicht aus dem Weg gehen wird.

(Quelle: BGH v. 27.06.2023 – X ZR 59/21)

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Dr. Anja Bartenbach, LL.M.

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