BGH zur Ersatzeinreichung bei EVGP-Störung

Mit Zwischenurteil vom 25.07.2023 (Az. X ZR 51/23) hat der BGH zu den Anforderungen an die Ersatzeinreichung nach § 130d Sätze 2 und 3 ZPO Stellung genommen.

Sachverhalt

Das Zwischenurteil ist in einem Patentnichtigkeitsberufungsverfahren ergangen, in dem sich die Beklagte gegen die erstinstanzlich erfolgte teilweise Nichtigerklärung des Streitpatents wendet.

Die prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte der Beklagten hatten die Berufungsschrift per Telefax beim BGH eingereicht. In einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte dargelegt, die Einreichung per Telefax sei wegen einer Störung des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs erfolgt. Zwei ihrer Prozessbevollmächtigten hätten zwischen 12:56 Uhr und 18:34 Uhr insgesamt zwölfmal eine Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versucht, hierbei aber stets die Meldung erhalten, die Nachricht habe nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden können. Sie hat zudem dargelegt, an dem betreffenden Tag sei auf den Internetseiten des elektronischen Gerichts- und Anwaltspostfachs eine Statusmeldung angezeigt worden, wonach u. a. die Bundesgerichte vorläufig nicht erreichbar seien.

Die Klägerin hält die Ersatzeinreichung für unzulässig, weil die Begründung nicht zusammen mit der Berufungsschrift übermittelt worden sei.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat entschieden, dass die Einreichung der Berufungsschrift per Telefax zulässig war.

Die Zulässigkeit der Ersatzeinreichung richtet sich auch im Patentnichtigkeitsverfahren über den Verweis in § 125a Abs. 2 PatG nach § 130d Sätze 2 und 3 ZPO.

Zu der Frage, ob der am Tag der Einreichung nachgeschobene Schriftsatz, der die Glaubhaftmachung der Gründe der Ersatzeinreichung enthielt, unverzüglich im Sinne des § 130d Satz 3 ZPO erfolgte, bildet der BGH folgenden Amtlichen Leitsatz:

Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 17. November 2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschluss vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).“

Darüber hinaus war die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen von einer vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung auszugehen ist. Der BGH lässt offen, ob jede noch so kurzfristige Störung die Möglichkeit der Ersatzeinreichung eröffnet und ob im konkreten Fall eine elektronische Übermittlung im Zeitraum zwischen dem letzten Sendeversuch und Mitternacht noch möglich gewesen wäre.

Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird“ (Amtlicher Leitsatz des BGH).

Maßgeblich war somit, dass im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht absehbar war, wann die Störung behoben sein würde.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Dies gilt sowohl für die Klarstellung, dass „unverzüglich“ im Sinne des
§ 130d Satz 3 ZPO auch eine Glaubhaftmachung ist, die taggleich mit dem im Wege der Ersatzeinreichung übermittelten Schriftsatz eingeht, als auch für den Umstand, dass es für die Zulässigkeit der Ersatzeinreichung nicht darauf ankommt, ob die Störung des Übermittlungswegs nach der Übersendung des Telefaxes noch bis Mitternacht anhält. Offen bleibt demgegenüber, ob auch eine nur kurzfristige Störung des beA- oder des EGVP-Dienstes eine Ersatzeinreichung erlaubt. Maßgeblich muss hierbei sein, ob die Kurzfristigkeit der Störung für den Rechtsanwalt erkennbar ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.07.2023 – X ZR 51/23 – EGVP-Störung

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Niklas Kinting

Niklas Kinting

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