BGH zu den Anforderungen an die neuheitsschädliche Offenbarung

In der Entscheidung „Aufbaupfosten“ (Urt. v. 06.02.2024 – X ZR 8/22) hat der BGH die Anforderungen an eine neuheitsschädliche Offenbarung präzisiert.

Hintergrund

Eine Erfindung gilt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PatG als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Begriff des Standes der Technik umfasst nach Satz 2 alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

Der BGH hatte sich in einem Patentnichtigkeitsberufungsverfahren mit der Frage zu befassen, ob der Gegenstand des angegriffenen Streitpatents durch eine Entgegenhaltung neuheitsschädlich getroffen wurde.

Sachverhalt

Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem BGH war die Nichtigkeitsklage gegen den nationalen Teil eines europäischen Patents, das einen Aufbaupfosten für ein Dentalimplantat betraf.

Die Klägerin hatte das Streitpatent u. a. wegen mangelnder Patentfähigkeit angegriffen. Die Beklagte hatte das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit insgesamt 56 Hilfsanträgen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang mit der Begründung für nichtig erklärt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der Entgegenhaltung D3 nicht neu. Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände würden ebenfalls von der Lehre der D3 neuheitsschädlich getroffen.

Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten.

Entscheidung des BGH

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Der BGH setzt sich in den Urteilsgründen u. a. mit der Frage auseinander, ob es für die Frage der Neuheit ausreicht, dass der Gegenstand der vom Streitpatent beanspruchten technischen Lehre in der Entgegenhaltung offenbart wird oder ob zusätzlich erforderlich ist, dass der Gegenstand des Streitpatents in der Entgegenhaltung zwingend als zu der dort beschriebenen Erfindung gehörend offenbart werden muss.

Hierzu bildet der BGH folgenden amtlichen Leitsatz:

„Anders als für die Frage, ob der Gegenstand eines Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht, ist für die Beurteilung der Neuheitsfrage nicht erheblich, ob ein bestimmter Gegenstand als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Ausreichend ist vielmehr, dass der Gegenstand in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart ist.“

Praxishinweis

Nach der Auffassung des BGH reicht es somit aus, dass die Entgegenhaltung den Gegenstand des Streitpatents unmittelbar und eindeutig offenbart. Nicht erforderlich ist, dass die Entgegenhaltung den offenbarten Gegenstand als zu der in der Entgegenhaltung beschriebenen Erfindung gehörend offenbart. Diese Entscheidung ist konsequent, weil die Entgegenhaltung nur objektiv den Stand der Technik offenbaren muss.

Quelle: BGH, Urteil vom 06.02.2024 – X ZR 8/22 – Aufbaupfosten

Hinweis: Eine Urteilszusammenfassung ist abgedruckt in Heft 4 der im Reguvis Verlag erscheinenden Zeitschrift IPkompakt.

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Niklas Kinting

Niklas Kinting

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