BGH – Tadalafil, Schutzfähigkeit der Dosierung eines Medikaments

In einem Urteil vom 21.01.2020 (Az: X ZR 65/18) hat sich der BGH im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens gegen den deutschen Teil eines europäischen Patents zu der erfinderischen Tätigkeit bei der Suche nach einer Dosierung für ein Medikament geäußert.

Das Streitpatent betraf das technische Problem, einen weiteren PDE5-Inhibitor zur wirksamen Behandlung sexueller Dysfunktion zur Verfügung zu stellen, der möglichst geringe Nebenwirkungen hat. Der im Fokus der Prüfung stehende Patentanspruch schützte eine pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung, die 1 mg bis 5 mg Tadalafil umfasst, zur täglichen oralen Verabreichung von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg pro Tag. Unter einer Einheitsdosiszusammensetzung war eine tägliche orale Verabreichung unabhängig von erwarteter sexueller Aktivität zu verstehen.

Der BGH sprach dem Patent (im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht) die Schutzfähigkeit ab. Bei dem einschlägigen Fachmann handelte es sich um ein Team, dem ein Pharmakologe, ein Mediziner mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Therapie sexueller Funktionsstörungen und ein pharmazeutischer Technologe angehören.

Auf Basis des Standes der Technik hatte der Fachmann nach Auffassung des BGH Anlass, Tadalafil als mögliche Alternative zu einem vorbekannten Mittel (Sildenafil) für die Behandlung sexueller Dysfunktion in Erwägung zu ziehen. Bezogen auf Tadalafil werde sich der Fachmann ausgehend auch an Sildenafil orientieren. Aus der Veröffentlichung seien klinische Tests mit Sildenafil bekannt gewesen, die bereits bei einer täglichen oralen Dosierung von 5 mg eine gute Wirkung gezeigt hätten. Danach stelle das Auffinden einer täglichen maximalen Gesamtdosis von 5 mg Tadalafil eine dem Aufgabenbereich des Fachmanns zuzurechnende übliche Maßnahme dar.

Hatte der Fachmann am Prioritätstag Anlass zu irgendeinem gegebenenfalls auch späterem Zeitpunkt vollständige Studien zur Dosis-Wirkungs-Beziehung eines bestimmten Wirkstoffs anzustellen, ist eine Dosierung, die sich aufgrund einer solchen Studie als vorteilhaft erweist, durch den Stand der Technik nahegelegt (Leitsatz der Entscheidung).

Kommen für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei ist unerheblich, welche dieser Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht gezogen hätte (unter Verweis auf BGH, GRUR 2016 – Anrufroutingverfahren, BGH BeckRS 2019 – Kathetervorrichtung).

Ausreichend sei, dass der Fachmann durch Stand der Technik dazu angeregt ist, den Wirkstoff zunächst für klinische Studien dieser Phase in Betracht zu ziehen, in der regelmäßig vor allem die Sicherheit und Verträglichkeit des Medikaments untersucht werden. Die positiven Ergebnisse einer solchen Studie gaben ihm anschließend Anlass für klinische Studien der Phasen II und III, in denen regelmäßig auch die Wirksamkeit und die Dosis-Wirkungs-Beziehung getestet werden (unter Verweis auf allgemeine medizinische Fachliteratur).

Die Entscheidung des BGH könnte die Hürden für die Schutzfähigkeit von Dosisregimes zukünftig erhöhen. Letztlich wird der Fachmann immer versuchen, die Dosierung eines Wirkstoffs zu optimieren, wobei das Ergebnis auch nur anhand von Versuchen belegt werden kann.

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Dr. Martin Quodbach, LL.M.

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