BGH – Pierre Cardin besteht auf Urteilsbekanntmachung

Der BGH entschied mit Urteil vom 22.02.2024, Az. I ZR 217/22, dass für einen Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gem. § 19c MarkenG das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Anspruchstellers im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bejaht werden muss.

Hintergrund

Der Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 19c MarkenG verfolgt den Zweck, die Beteiligten eines Rechtsstreits in Bezug auf die streitigen Punkte zu rehabilitieren. Denn Anschuldigungen, die in Verbindung mit Gerichtsprozessen an die Öffentlichkeit dringen, können zu Reputationsschäden führen. Dies kann beispielsweise durch eine (ungeschwärzte) Veröffentlichung des Urteils in den Medien erfolgen. Die unterlegene Partei muss hierfür die Veröffentlichungskosten tragen.

Auch in Zeiten schneller und quasi kostenfreier Veröffentlichung per Klick behält die Vorschrift ihre Relevanz: Eine Veröffentlichung von Urteilen auf eigene Faust ohne richterlich zugesprochene Befugnis birgt das Risiko, dass man von der Gegenpartei unter dem Gesichtspunkt der Rufschädigung gemäß § 4 Nr. 1 UWG oder §§ 823 ff. BGB angegriffen werden kann.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine in Frankreich ansässige Partei, besitzt eine ausschließliche Lizenz für die Unionswortmarke „PIERRE CARDIN“ für Waren der Klasse 25 einschließlich Bekleidung und Socken. Diese Lizenz wurde ihr vom ehemaligen Inhaber der Marke, dem Modeschöpfer Pierre Cardin, übertragen. Die Klägerin mahnte die Beklagte, ein Unternehmen mit rund 300 Kaufhausfilialen, wegen des Verkaufs von Socken mit der Kennzeichnung „PIERRE CARDIN“ ab, die hierauf eine Unterlassungserklärung abgab. Die weitergehenden Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Rückruf der restlichen rechtsverletzenden Socken aus dem Vertrieb und Feststellung der Schadenersatzpflicht sprach das Landgericht teilweise zu. Den ebenfalls geltend gemachten Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 19c MarkenG wies es ab – genau wie das Berufungsgericht in zweiter Instanz. Im Revisionsverfahren vor dem BGH verfolgt die Klägerin nur noch ihr Begehren auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 19c MarkenG.

Entscheidung

Der BGH bestätigte die Ausführungen des Berufungsgerichtes, dass der Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 19c MarkenG nicht nur auf Unterlassungsklagen, sondern auch auf Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadenersatzfeststellungsklagen anwendbar ist, auch aus Unionsmarken gemäß § 119 Nr. 2 MarkenG.

Hinsichtlich der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Urteilsbekanntmachung nach § 19c MarkenG führte der BGH aus, dass der Gesetzgeber den Anspruch vom berechtigten Interesse der obsiegenden Partei abhängig gemacht habe und dieses unionsrechtskonform in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu determinieren ist.

Das Berufungsgericht habe maßgebliche Punkte zwar im Ansatz korrekt, aber entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht in die Betrachtung miteinbezogen. Ein maßgeblicher Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist das Bedürfnis der Aufklärung sowie der Beseitigung fortwährender Störungen und Marktverwirrung. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die entstandene Marktverwirrung sei angesichts des Zeitablaufs verblasst. In einem Branchenblatt aus dem Jahr 2014 werde unter der Überschrift „(Die Beklagte) verramscht wieder Markenware“ ein Auszug aus einem bundesweit in den Filialen der Beklagten sowie im Internet verbreiteten Prospekt für eine Verkaufsaktion ab dem 14.04.2014 wiedergegeben. Darin seien vermeintliche „PIERRE CARDIN“-Socken blickfangmäßig abgebildet gewesen. Dies habe die Absatzmöglichkeit ordnungsgemäß lizenzierter Socken über den Fachhandel nachhaltig beeinträchtigt. Das Berufungsgericht habe den Grad des Verschuldens der Beklagten zu niedrig angesehen. Die Klägerin hatte nach jedem Testkauf im Jahr 2013, 2014 und 2016 eine Berechtigungsanfrage versandt. Damit war die Beklagte bereits im Jahr 2013 hinsichtlich der Angelegenheit sensibilisiert. Auf ihre Einwendung hin, das Markenrecht sei diesbezüglich erschöpft, also die Socken seien mit Zustimmung des Markeninhabers in Verkehr gebracht worden, hatte die Beklagte jedoch keine Beweise produzieren können. Darüber hinaus sei auch der Abschreckungsgedanke sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit als generalpräventiver Aspekt in die Verhältnismäßigkeitsprüfung miteinzubeziehen.

Fazit

Was lange währt, wird endlich gut? Der Markeninhaber musste hier einen langen Atem beweisen, um das rechtsverletzende Unternehmen – hier eine große Kaufhauskette – offiziell hierfür „an den Pranger stellen“ zu dürfen.

Nicht erfasst von der Vorschrift ist selbstverständlich die zulässige Veröffentlichung von geschwärzten Urteilen, in denen die Beteiligten des Rechtsstreits nicht erkennbar sind.

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Lucie Ludwig, LL.B. (Köln-Paris1)

Lucie Ludwig, LL.B. (Köln-Paris1)

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