Aussetzung im Markenverletzungsverfahren

Das OLG Frankfurt a.M. hat sich in seinem Beschluss vom 10.12.2020 (6 W 126/20) mit den Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 148 ZPO bei bösgläubiger Markenanmeldung befasst.

Sachverhalt

Die Klägerin hat die Beklagte, die – nach ihrem insoweit bestrittenen Vortrag bereits seit 2010 – unter der Bezeichnung „Ledare“ Leuchtmittel vertreibt, wegen der Verletzung ihrer deutschen Marke „Ledar“ sowie hilfsweise wegen Verletzung der Unionsmarke „Ledarc“ und der auf die Europäische Union erstreckten IR-Marke „Ledar“ in Anspruch genommen. Die Beklagte hat widerklagend die Zustimmung zur Löschung der Klagemarken sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht im Hinblick auf eine behauptete böswillige Markenanmeldung und die fehlende Unterscheidungskraft der Marken geltend gemacht.

Gegen die Klagemarken waren Löschungsanträge anhängig, die eine mit der Beklagten verbundene Gesellschaft eingereicht hatte.

Mit Beschluss vom 29.10.2020 hat das Landgericht den Rechtsstreit nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung des DPMA über das gegen die Klagemarke zu 1) anhängige Löschungsverfahren ausgesetzt.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Klägerin.

Entscheidung des OLG Frankfurt a. M.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Nach Auffassung des Senats lagen die Aussetzungsvoraussetzungen des § 148 ZPO nicht vor, weil das Landgericht jedenfalls eine fehlerhafte Ermessensentscheidung getroffen hatte.

Das OLG Frankfurt a.M. bildet folgende Leitsätze:

  1. Eine Vorgreiflichkeit des Löschungsverfahrens für den Verletzungsrechtsstreit kann nur dann vorliegen, wenn nicht der Rechtsstreit auch ohne die Entscheidung über den Bestand der Marke entscheidungsreif ist, weshalb das erstinstanzliche Gericht dies prüfen muss.
  2. Eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO kommt im Hinblick auf ein anhängiges Löschungsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH bei dessen Vorgreiflichkeit dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung rechtfertigt.
  3. Bei dem hierfür erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit ist zu differenzieren: Bei durch die Erteilungsbehörden geprüften Löschungsgründen sind eher hohen Erfolgsaussichten zu verlangen. Die Durchsetzbarkeit des nach Prüfung erteilten Schutzrechts wäre erheblich reduziert, könnte durch eine Löschungsklage mit nur überwiegender Wahrscheinlichkeit die Wirkung des Rechts suspendiert werden. Bei Löschungsgründen wie dem der bösgläubigen Markenanmeldung, bei dem trotz des von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts die Erkenntnismöglichkeiten des Amtes beschränkt sind, sind hingegen an die Erfolgsaussichten geringere Anforderungen zu stellen.
  4. Der auf § 4 Nr. 4 UWG gestützte Anspruch auf Löschung einer Marke wegen bösgläubiger Markenanmeldung ist grundsätzlich unabhängig von der Löschungsreife nach § 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG. Ein Verletzungsrechtsstreit kann daher nicht im Hinblick auf ein anhängiges Löschungsverfahren ausgesetzt werden.

Praxishinweis

Die Aussetzung nach § 148 ZPO darf nur erfolgen, wenn die Entscheidung im Rechtsbestandsverfahren vorgreiflich ist und das erforderliche Maß an Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, um die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung zu rechtfertigen. Während bei Nichtigkeitsgründen, die von der Erteilungsbehörde bereits geprüft wurden, eine erhebliche Erfolgswahrscheinlichkeit für die Löschungsklage zu verlangen ist, reichen nach Auffassung des Senats bei der Geltendmachung einer bösgläubigen Markenanmeldung geringere Anforderungen aus.

Eine Aussetzung scheidet aus, wenn der Löschungsanspruch im Verfahren vor dem Zivilgericht auf § 4 Nr. 4 UWG gestützt wird. Die markenrechtliche Entscheidung des Patentamts entfaltet keine präjudizielle Wirkung für die lauterkeitsrechtliche Prüfung durch das Zivilgericht und ist damit nicht vorgreiflich.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 10.12.2020 – 6 W 126/20, ECLI:DE:OLGHE:2020:1210.6W126.20.00

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Niklas Kinting

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