BGH: EuGH-Vorlage zur Auslegung des schutzrechtsverletzenden Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. b der EU-Markenrechtsrichtlinie

Der BGH hat dem EuGH zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Richtlinie (EU) 2015/2436; MRL) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss v. 23.01.2024, Az. I ZR 205/22 – Extreme Durable).

Zum einen handelt es sich um die Frage, ob der Inhaber einer nationalen Marke verbieten lassen kann, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware besitzt, um diese im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Zum anderen beinhaltet die Vorlage die Frage, ob es für den Begriff des Besitzes auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit ankommt oder die Möglichkeit zur Einwirkung auf denjenigen mit tatsächlichem Zugriff auf die markenverletzende Ware ausreichend ist.

Bezüglich der Vorlagefrage 1 könnte es für die Verletzung einer nationalen Marke ausreichend sein, dass der Besitz im Ausland mit dem Ziel ausgeübt werde, die Ware unter dem Zeichen im Schutzland anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Dem könnte jedoch das Territorialitätsprinzip entgegenstehen. Soweit es die Vorlagefrage 2 betrifft, geht der BGH davon aus, dass der Begriff „Besitz“ autonom und unionsweit einheitlich auszulegen sei. Jedoch verwendeten andere Sprachfassungen der Richtlinie (EU) 2015/2436 oftmals statt des Begriffs des „Besitzes“ denjenigen der „Lagerung“, so dass zweifelhaft sei, ob auch der mittelbare Besitz, wie ihn das deutsche Recht kenne, als rechtsverletzender Besitz im Sinne von § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG und Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 angesehen werden könne. Der Begriff der „Lagerung“ könnte eher dafür sprechen, dass für den Besitz im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Ware erforderlich sei und derjenige, der die Ware an den Spediteur oder Frachtführer übergebe, mit der Übergabe den Besitz verliere, weil in diesem Zeitpunkt die „Lagerung“ ende.

Beide Vorlagefragen seien anhand der Rechtsprechung des EuGH nicht zweifelsfrei zu beantworten.

Amtliche Leitsätze des BGH

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336 vom 23. Dezember 2015, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Kann es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?
  2. Kommt es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware an oder reicht die Möglichkeit aus, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat?

(BGH, Beschluss v. 23.01.2024, Az. I ZR 205/22 – Extreme Durable)

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Franziska Anneken

Franziska Anneken

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