Keine Rechtsberatung durch den Architekten!

Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 30.09.2022, Az. 10 U 12/22 (nicht rechtskräftig) entschieden, dass der Bauherr von seinem Architekten, der mit den Leistungsphasen 1 bis 8 beauftragt ist, keine umfassende juristische Beratung zu Vertragsklauseln erwarten kann. Das OLG Stuttgart stellt heraus, dass sich die Verpflichtung des Architekten auf die Anwendung der Grundzüge des Rechts unter Berücksichtigung der gängigen Rechtsprechung beschränkt.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall beauftragte der Bauherr den Architekten mit der Erbringung von Architektenleistungen nach den Leistungsphasen 1 bis 8. Bei dem Bauvorhaben handelte es sich um den Neubau eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Architekt hatte für das Bauvorhaben die Leistungsverzeichnisse erstellt sowie Bauvertragsentwürfe zur Verfügung gestellt. Der von dem Architekten zur Verfügung gestellte Bauvertragsentwurf für die Erd- und Kanalisationsarbeiten enthielt u. a. auch eine Skontoklausel. Der Bauherr war schließlich der Auffassung, dass die Klausel eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung darstelle. Daher erhob der Bauherr Klage und machte gegen den Architekten Schadenersatzansprüche geltend.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg! Das Gericht stellte heraus, dass die streitgegenständliche Skontoklausel unwirksam ist, jedoch habe der Architekt seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt. Der Architekt sei juristischer Laie; ihm oblägen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten bei der Auftragserteilung, Vorbereitung und Anpassung von Verträgen keine Beratungspflichten in Bezug auf konkrete Rechtsfragen. Überdies hebt das Gericht hervor, dass es sich bei der streitgegenständlichen Skontoklausel um eine unwirksame Regelung handelt; der Architekt hätte jedoch ohne spezielle Kenntnisse die Unwirksamkeit der Klausel nicht erkennen können. Folglich habe der Architekt mit dem Vorschlag dieser Klausel seine Pflichten nicht verletzt. Außerdem stellt das OLG Stuttgart heraus, dass ein Architekt im Rahmen der Mitwirkung an der Auftragserteilung nur dazu berechtigt und verpflichtet sei, allgemeine Hinweise zu geben. Von einem Planer könne regelmäßig nur erwartet werden, dass er den Wortlaut der Regelungen des BGB und der VOB/B kenne und Grundzüge der höchstrichterlichen Rechtsprechung, indes kennt der Architekt die einzelnen Kriterien einer AGB-Inhaltskontrolle nicht. Demnach müsse ein Bauherr davon ausgehen, dass ein Architekt die von ihm vorgeschlagenen vertraglichen Regelungen nur in dem ihm üblicherweise möglichen Umfang rechtlich überprüft habe. Spezielle Kenntnisse können nicht erwartet werden.

Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass der Architekt grundsätzlich keine rechtliche Beratung durchführt, auch wenn er an der Auftragserteilung mitwirkt und sogar Bauvertragsentwürfe bereithält. Daraus folgt, dass bei der Verwendung von Vertragsmustern, die nicht für das konkrete Bauvorhaben durch einen Juristen geprüft worden sind, Vorsicht geboten ist. Der Architekt sollte für den Fall, dass komplexere Klauseln notwendig oder aufgrund der Besonderheiten des Bauvorhabens umfangreiche Regelungen erforderlich werden, die Hinzuziehung eines Juristen empfehlen. Der Bauherr sollte berücksichtigen, dass die von dem Architekten bereitgestellten Vertragsentwürfe nicht rechtlich belastbar geprüft sind und daher zur Wahrung seiner Interessen die Vertragswerke durch einen Juristen überprüfen lassen.

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Dr. Carolin Dahmen

Dr. Carolin Dahmen

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