Keine Haftung des beauftragten Privatgutachters für einen im Rahmen der technischen Abnahme nicht erkennbaren Mangel!

Ohne nähere vertragliche Ausgestaltung hat ein Privatgutachter, der mit der technischen Abnahme beauftragt ist, in erster Linie die gerügten Mängel zu überprüfen. Im Übrigen obliegt es ihm lediglich, sichtbare Mängel zu beanstanden. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. mit Urteil vom 04.03.2022 – 21 U 44/20 – entschieden.

I. Sachverhalt

Ein Bauträger führte umfassende Sanierungsmaßnahmen an einem Gewerbehof durch und wandelte ihn in eine Wohnungseigentumsanlage um. Nach § 9 Abs. 7 der Bauträgerverträge sollte ein amtlich bestellter Bausachverständiger zur Vorbereitung der Abnahme durch die Erwerber eine technische Abnahme des Gemeinschaftseigentums vornehmen. Die Kosten des Sachverständigen wurden zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und dem Bauträger hälftig geteilt. Der seitens des Bauträgers beauftragte Sachverständige führte am 30.09.2015 die technische Abnahme der Wohnanlage durch und fertigte hierüber am 06.10.2015 ein Protokoll, in welchem er die Abnahmereife bescheinigte. Die Erwerber erklärten hiernach die Abnahme und zahlten die letzte Kaufpreisrate. Später traten Feuchtigkeitsschäden im Kellergeschoss auf. Nachdem der Bauträger eine Nachbesserung ablehnte, leitete die WEG ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den Bauträger ein.

Mit ihrer Klage vor dem Landgericht Frankfurt a. M. verlangte die WEG vom Sachverständigen einen Kostenvorschuss i. H. v. 80.000,00 € für die Beseitigung der Mängel und Mangelursache am Innenputz im Kellergeschoss. Zur Begründung führt sie an, der Bauträger habe wegen der bereits bestehenden Feuchtigkeit vor Aufbringung von Putz und Estrich eine Feuchtigkeitsabdichtung aufbringen müssen. Aufgrund der vorhandenen Mängel habe der Sachverständige die technische Abnahmereife nicht erklären dürfen, denn die Feuchtigkeit wäre bei einer unstreitig nicht vorgenommenen Feuchtigkeitsmessung ohne Weiteres aufgefallen.

Das Landgericht Frankfurt a. M. weist die Klage ab. Ein Anspruch scheitere bereits an einem zwischen den Parteien nicht bestehenden Schuldverhältnis. Schließlich sei auch die Rechtsfolge einer nach Auffassung der WEG zu unterbleibenden technischen Abnahme nicht vom Klageantrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses gedeckt. Im Falle der Verweigerung der technischen Abnahme sei nämlich lediglich die letzte Kaufpreisrate nicht gezahlt worden bzw. die Abnahme durch die WEG nicht erklärt worden.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die WEG Berufung ein und verfolgte ihren Zahlungsanspruch weiter. 

II. Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG Frankfurt a. M. hat die Berufung der WEG zurückgewiesen.

Zunächst stufte der Senat – entgegen der Ansicht des Landgerichts – die Beauftragung des Sachverständigen durch den Bauträger im Verhältnis zu der WEG als einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein. Die seitens des Sachverständigen geschuldete technische Abnahme diene der Vorbereitung der werkvertraglichen Abnahme, welche seitens der einzelnen Erwerber zu erfolgen hat. Der technischen Abnahme durch einen Sachverständigen komme aus Sicht der leistungsnahen Erwerber eine besondere Beweiskraft zu. Demzufolge vertrauten die Erwerber auf die Begehung und die Richtigkeit der ausgewiesenen Feststellungen des erstellten Protokolls. Dies sei für den Sachverständigen auch erkennbar gewesen, denn das Protokoll sollte bekanntermaßen an die Erwerber weitergeleitet werden und diente der Vorbereitung der werkvertraglichen Abnahme.

Schließlich seien die Erwerber – trotz eigener vertraglicher Ansprüche gegenüber dem Bauträger – auch schutzbedürftig, denn die sachkundige Beratung durch den Sachverständigen sollte jedenfalls auch gewährleisten, dass die Zahlung des Restkaufpreises an den Bauträger erst nach Abnahmereife freigegeben wird. Auf diese Weise sollte eine etwaig erforderliche Mangelbeseitigung oder Fertigstellung auch im Falle einer Insolvenz des Bauträgers finanziell sichergestellt werden.

Sodann verneinte der Senat eine mangelhafte technische Abnahme des Sachverständigen und damit eine Verletzung der ihm gegenüber der WEG obliegenden Schutzpflicht.

Der Sachverständige schulde lediglich die Abnahme und nicht die Herstellung eines Werkes, sodass er nur für solche Mängel einzustehen hat, die er bei Begehung hätte erkennen müssen, nicht aber für eine sich später erst herausstellende Mangelhaftigkeit des abzunehmenden Werkes. Für eine Einstandspflicht komme es entscheidend auf die vom Sachverständigen vertraglich geschuldete Prüfungsdichte an. Im vorliegenden Fall schulde der Sachverständige mangels spezifizierender Vereinbarungen die üblicherweise im Rahmen einer technischen Abnahme zu erwartende Prüfdichte, welche sich nach der Rechtsprechung des OLG Celle zufolge aus § 641a BGB a. F. ergebe (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04.07.2007 – 7 U 14/07). Danach sei primär eine eingehende Prüfung der seitens der WEG gerügten Mängel geschuldet. Im Übrigen habe es dem Sachverständigen lediglich oblegen, sichtbare Mängel zu beanstanden, d. h. solche Mängel, die bei dem Ortstermin im Rahmen einer Sichtabnahme vergleichbarer Werke erkennbar sind. Die seitens der WEG gerügten fehlenden Feuchtemessungen oder bauteilzerstörenden bzw. vertieften Untersuchungen seien nicht vereinbart worden. Darauf, ob der Bauträger tatsächlich eine Kellerabdichtung schulde und ob man Feuchtigkeit hätte messen können, kommt es also nicht an.

III. Praxishinweis

Es dürfte einleuchten, dass ein Bausachverständiger, der mit einer technischen Abnahmebegehung beauftragt ist, nur für die Verletzung der vertraglich übernommenen Pflichten haftet. Dies bedeutet, dass die Prüfdichte genau definiert werden muss. Dabei bietet es sich an, dem Sachverständigen neben bauteilzerstörenden Untersuchungen auch die Prüfung der vom Unternehmer vorzulegenden technischen Nachweise für die korrekte Ausführung aufzugeben. Für eine ordnungsgemäße Dokumentation der Leistungserbringung enthalten DIN-Normen oder Herstellerrichtlinien oftmals sinnvolle Vorgaben.

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Viktoria Rother

Viktoria Rother

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