Eine Ausgleichszahlung im Gesamtschuldverhältnis stellt keine Vorschusszahlung gegenüber dem Gläubiger dar

Wird innerhalb einer gesamtschuldnerischen Haftung im Rahmen einer Schadenersatzforderung von einem Gesamtschuldner an einen anderen eine Ausgleichzahlung vorgenommen und stellt sich im Nachgang heraus, dass die tatsächlich zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten die Ausgleichzahlung unterschreiten, so kann der Gesamtschuldner nur dann eine Rückzahlung verlangen, soweit es sich bei der Zahlung des Gesamtschuldners an den anderen Gesamtschuldner tatsächlich um einen Mängelbeseitigungsvorschuss handelt. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, scheidet ein Rückzahlungsanspruch aus. So das OLG Koblenz mit Urteil vom 18.11.2021 – 2 U 1877/20.

Sachverhalt

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Bauunternehmen, das eine mangelhafte Abwasserleitung zur Erschließung eines Wasserschutzgebiets errichtet hat. Neben dem Kläger war ein Ingenieurbüro mit der Planung und der Überwachung der Abwasserleitung beauftragt.

Nachdem sich herausgestellt hat, dass die vom Kläger installierten Abwasserleitungen undicht sind, verlangt die Beklagte Schadenersatz und Zahlung eines Vorschusses, um die Mängel beseitigen zu lassen. Da die Beklagte jedoch neben dem Kläger auch ein Ingenieurbüro beauftragt hat, hafteten der Kläger und der Ingenieur gesamtschuldnerisch, sodass die Beklagte den ihr entstandenen Schaden von einem der beiden Schuldner ersetzt verlangen konnte. Vom Kläger verlangte die Beklagte sodann die Zahlung eines Vorschusses; von dem Ingenieur die Zahlung von Schadenersatz.

Infolgedessen wurden das Ingenieurbüro und der Kläger von dem LG Koblenz als Gesamtschuldner zur Zahlung von insgesamt 94.350,00 € verurteilt (LG Koblenz, Urteil vom 16.11.2020 – 4 O 384/19). Der Kläger hatte darüber hinaus einen weiteren Betrag i. H. v. 41.000,00 € aus Umsatzsteuer und Bürgschaft an die Beklagte zu zahlen.

Das Ingenieurbüro zahlte den gesamten Betrag von 94.350,00 € an die Beklagte und tilgte damit auch die Schuld des Klägers. Das Ingenieurbüro erhielt daraufhin vom Kläger den auf dessen Haftungsquote entfallenden Teil von 75 % (ca. 70.500,00 €) im Wege des gesamtschuldnerischen Ausgleichs erstattet. Weiterhin kam der Kläger seiner Verpflichtung nach, weitere 41.000,00 € aus Umsatzsteuer sowie aus Bürgschaft an die Beklagte zu zahlen.

In der Folge beseitigte die Beklagte die Mängel. Die tatsächlich entstandenen Nachbesserungskosten betrugen jedoch nur 22.000,00 €.

Der Kläger ist daher der Auffassung, er habe als Vorschuss einen zu hohen Betrag geleistet, der die tatsächlichen Nachbesserungskosten übersteigt. Der Kläger meint, ihm stehe insoweit ein Rückzahlungsanspruch i. H. v. 95.000,00 € zu. Dieser Rückzahlungsbetrag ergebe sich aus den von ihm insgesamt bezahlten 111.500,00 € (70.500,00 € als Ausgleich an das Ingenieurbüro zzgl. 41.000,00 € aus Umsatzsteuer und Bürgschaft), wobei er lediglich 75 % der Nachbesserungskosten (22.000,00 €), also 16.500,00 €, zu tragen habe. In der Folge klagte der Bauunternehmer auf Rückzahlung des „zu viel geleisteten Vorschusses“.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das LG Koblenz hat in erster Instanz einen Anspruch des Klägers auf Rückerstattung seiner geleisteten Zahlung abgelehnt. Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 18.11.2021 – 2 U 1877/20 das Urteil des LG Koblenz bestätigt. Ein Anspruch auf Rückerstattung bestünde nicht.

Das OLG Koblenz hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass zwischen den Parteien zwar eine Tilgungsgemeinschaft besteht. Diese besteht allerdings nicht auch zwischen den Ansprüchen, deren Voraussetzungen nicht deckungsgleich sind. Ein Anspruch auf Rückzahlung stünde dem Kläger nur zu, wenn er tatsächlich Zahlungen auf einen Mängelbeseitigungsvorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB geleistet hat. Ein solcher wäre nach den Grundsätzen von Treu und Glauben insoweit zurückzuzahlen, als er über die tatsächlich entstandenen Nachbesserungskosten hinausginge. Einen Mängelbeseitigungsvorschuss hat der Kläger allerdings nur i. H. v. 41.310, 00 € geleistet, während er durch die Leistung i. H. v. 70.500,00 € an das Ingenieurbüro lediglich seiner Zahlungsverpflichtung zum Schadenersatz nachkommt. Daher habe der Kläger vorliegend keinen Vorschuss an die Beklagte geleistet, sondern eine Ausgleichszahlung im Gesamtschuldverhältnis vorgenommen. Der an das Ingenieurbüro geleistete Betrag betrifft dessen Schadenersatzverpflichtung, die nach damaligem Recht zum endgültigen Verbleib beim Auftraggeber gedacht war.

Praxishinweis

Im Falle von mangelhaft erbrachten Bauleistungen unterscheidet sich die Haftung des Bauunternehmers von der des Architekten, dass Letzterer unmittelbar zum Schadenersatz verpflichtet wird, da der Mangel im Bauwerk einen Mangelfolgeschaden darstellt, der auf fehlerhafter Planung oder Überwachung des Bauwerks beruht. Für den Bauunternehmer besteht zunächst die Möglichkeit, im Rahmen dessen Rechts zur zweiten Andienung, das mangelhafte Werk nachzubessern. Kommt er dem Nachbesserungsverlangen nicht nach, kann der Auftraggeber einen Vorschuss für die Mängelbeseitigung verlangen, wobei er verpflichtet ist, einen nach Abrechnung verbleibenden Überschuss an den Bauunternehmer zurückzuzahlen.

Hier lag der Fall so, dass das Ingenieurbüro durch Zahlung von Schadenersatz an den Auftraggeber im Rahmen einer gesamtschuldnerischen Haftung auch den Kläger von seiner Schuld befreit. Nach damaligem Recht ist die Zahlung des Klägers an das Ingenieurbüro nicht als Vorschuss anzusehen, sondern einzig als Zahlung, die im Rahmen der Begleichung des Schadens erfolgt ist. Die Entscheidung darüber, welcher der beiden Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollte, oblag dem Auftraggeber. Vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu dem Verbot der fiktiven Mangelbeseitigungskosten (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17) konnte der Schadenersatzanspruch anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten ermittelt werden. Da es sich im Verhältnis zum Architekten um einen Schadenersatzanspruch handelt, konnte der Bauherr den Betrag voll behalten. Hätte vorliegend der Kläger den Zahlbetrag an den Bauherrn ausgezahlt, wäre nach zweckentsprechender Verwendung abzurechnen gewesen.

Diese – hier zum Nachteil des Klägers – angewandte Regelung ist nunmehr durch die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17) aufgehoben worden. Denn auch der vom Architekten zu zahlende Schadenersatzanspruch ist auf eine später abzurechnende Vorfinanzierung gerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17).

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Dr. Carolin Dahmen

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