Die Anweisung des Auftraggebers hat Vorrang – Keine Arbeitseinstellung trotz Bedenkenanmeldung bei Risikoübernahme durch den Auftraggeber

Mit Urteil vom 01.02.2024 (Az. VII ZR 171/22) hat der BGH entschieden, dass sich der Auftragnehmer grundsätzlich nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen kann, wenn der Auftraggeber ihn zur Arbeitsaufnahme auffordert und dieser trotz Bedenkenanmeldung durch den Auftragnehmer das Risiko einer mangelhaften Ausführung der Leistung übernimmt.

SACHVERHALT

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) unter Einbeziehung der VOB/B mit der Ausführung von Bodenbelagsarbeiten. Hierzu vereinbaren die Parteien einen bestimmten Zeitpunkt für den Baubeginn. Der AN verweigert jedoch die Ausführung und meldet indes aufgrund von Feuchtigkeit im Estrich Bedenken gegen die Bauausführung an. Der AG weist die Bedenken unter Hinweis auf erfolgte Messergebnisse bzgl. der Feuchtigkeit zurück. Als der AN weiterhin die Ausführung verweigert, fordert der AG diesen – unter Kündigungsandrohung – zur Aufnahme der Arbeiten auf und verlangt von diesem, Abhilfe nach § 5 Abs. 3 VOB/B zu schaffen. Nachdem der AN wiederholt Bedenken anmeldet – ohne mit dem Bau zu beginnen –, erklärt der AG daraufhin die Teilkündigung des Vertrags. Der AG beauftragt anschließend – wie angekündigt – Drittunternehmen mit den vom AN nicht ausgeführten Leistungen und verlangt klageweise die Erstattung von Mehrkosten.

ENTSCHEIDUNG

Mit Erfolg! Das Gericht erachtet die Teilkündigung des AG gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B i. V. m. § 5 Abs. 4 Fall 1 VOB/B wegen des verzögerten Baubeginns und der nicht erfolgten Abhilfe als wirksam. Dem AG steht ein Anspruch aufgrund der verzögerten Leistungserbringung durch den AN gegen diesen zu. Der AG kann die ihm entstandenen Mehrkosten gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, § 8 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VOB/B i. V. m. § 5 Abs. 4 Fall 1 VOB/B erstattet verlangen. Zwar hatte der AN gegenüber dem AG mehrfach schriftlich Bedenken gegen die Ausführung der Leistung gem. § 4 Abs. 3 VOB/B mitgeteilt. Indem der AG den AN ausdrücklich aufgefordert hat, mit den Arbeiten zu beginnen, hat dieser das Risiko der mangelhaften Ausführung der Arbeiten übernommen. Dem AN stand daher aufgrund der Haftungsübernahme durch den AG kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Ein Ausnahmefall, der den AN berechtigen würde, die Ausführung der Leistung trotz der Anweisung und der vorliegenden Haftungsübernahmeerklärung zu verweigern, liegt nicht vor.

PRAXISHINWEIS

Ob und inwieweit dem AN ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, sollte stets gründlich geprüft werden. Bei vorzeitiger unberechtigter Leistungsverweigerung, setzt sich der AN dem Risiko einer wirksamen (Teil-) Kündigung durch den Auftraggeber aus. Sollte der AG den AN zur Arbeit anweisen und entgegen etwaiger Bedenkenanmeldungen eine Haftungsübernahme erklären, bedarf es seitens des AN einer gründlichen Prüfung, inwiefern ein Leistungsverweigerungsrecht in Frage kommt. Andernfalls ist der AN einem hohen finanziellen Risiko ausgesetzt.

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Cristina Duplava

Cristina Duplava

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