BGH zu Aufstockungsklagen gegenüber öffentlichen Auftraggebern nach HOAI 2013

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 14. Februar 2024 (Az. VII ZR 221/22) klargestellt, dass das europarechtswidrige zwingende Preisrecht der HOAI 2013 auch bei Aufstockungsklagen gegenüber öffentlichen Auftraggebern gilt. Denn der Staat dürfe keine Vorteile aus einer nicht oder unzutreffend umgesetzten Richtlinie ziehen.

Hintergrund

Das Thema Aufstockungsklagen auf die Mindestsätze der HOAI 2013 beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Folgende Grundsatzurteile ergingen dazu:

  • EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019 – Az. C-377/17: Entscheidung, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI 2013 gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstoßen und damit europarechtswidrig sind.
  • EuGH, Urteil vom 18. Januar 2022, Az. C-261/20: Entscheidung, dass nationale Gerichte verbindliches nationales Preisrecht (hier Mindestsätze der HOAI 2013) bei einem Rechtsstreit zwischen Privaten trotz dessen Unionrechtswidrigkeit anwenden dürfen.
  • BGH, Urteil vom 2. Juni 2022, Az. VII ZR 174/19: Bestätigung und Anwendung des o. g. EuGH-Urteils. Die HOAI 2013 ist in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen damit weiterhin anwendbar. Die Geltendmachung des Differenzbetrages zwischen dem HOAI-Mindestsatz und dem niedrigeren vereinbarten Honorar verstößt zudem nicht grundsätzlich gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Es folge eine Reihe obergerichtlicher Rechtsprechung unter Anwendung der o. g. Grundsatzurteile. Offen blieb jedoch die Frage, ob das unionsrechtswidrige Preisrecht der HOAI 2013 auch in einem Rechtstreit auf Aufstockung des Honorars bis zum HOAI-Mindestsatz zwischen einem privaten Auftragnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber Anwendung findet.

BGH-Entscheidung

Der BGH bestätigte nun die Anwendung der Mindestsätze nach HOAI 2013 gegenüber öffentlichen Auftraggebern mit folgender Begründung:

„Der Staat darf sich nicht zu seinen Gunsten gegenüber dem Einzelnen – hier gegenüber dem Architekten – auf eine nicht oder unzutreffend umgesetzte Richtlinie berufen und für sich keine Vorteile aus der nicht oder unzutreffend umgesetzten Richtlinie ziehen. Er kann – und muss – die Richtlinie umsetzen, wenn er sich zu seinen Gunsten auf sie berufen will (…). Das richtlinienwidrige zwingende Preisrecht der HOAI 2013 ist daher auch bei sogenannten Aufstockungsklagen in Höhe der HOAI Mindestsätze gegenüber öffentlichen Auftraggebern weiterhin anwendbar (Fuchs/van der Hout, NZBau 2022, 78, 79).“

Ferner stellte der BGH klar, dass sich die Unionrechtswidrigkeit des HOAI-Preisrechts nicht auf die Formvorschrift des § 7 Abs. 5 HOAI 2013 bezieht. Daher gelten die Mindestsätze der HOAI 2013 ohnehin auch im Falle einer fehlenden schriftlichen Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung.

Praxishinweis

Die BGH-Entscheidung ist relevant für Architektenverträge, die vor dem 01. Januar 2021 (ab dann Geltung der HOAI 2021) geschlossen wurden.

Die Honoraransprüche dürfen zudem noch nicht verjährt sein. Es gilt hier eine dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem das Architektenhonorar fällig geworden ist. Das Architektenhonorar wird gemäß § 15 Abs. 1 HOAI 2013 wiederum erst fällig, wenn die Architektenleistung abgenommen und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist, es sei denn, es wurde etwas anderes schriftlich vereinbart. Sofern die o. g. Voraussetzungen erfüllt sind, lohnt es sich, das vereinbarte Architektenhonorar zu überprüfen, da bei Unterschreitung der Mindestsätze ein Anspruch auf Aufstockung bis zum HOAI-Mindestsatz geltend gemacht werden kann – auch gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber.

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Paul M. Kiss

Paul M. Kiss

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